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Ältestes Manuskript des Kindheitsevangeliums des Thomas entdeckt – neue Infos über Jesu Kindheit?

In einer bemerkenswerten wissenschaftlichen Entdeckung haben Forscher ein bisher unbeachtetes Papyrusfragment in der Universitätsbibliothek Hamburg als älteste erhaltene Abschrift des Kindheitsevangeliums des Thomas identifiziert. Dieses Fragment, das auf das 4. bis 5. Jahrhundert datiert wird, stellt einen bedeutenden Fund für die Forschung dar und gibt neue Einblicke in die Texttraditionen der frühen christlichen Schriften.

Foto: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg/Public Domain Mark 1.0

Das etwa 11 mal 5 Zentimeter große Papyrusstück enthält Fragmente von 13 Zeilen griechischer Schrift und stammt vermutlich aus dem spätantiken Ägypten. Es wurde von Lajos Berkes, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, und seinem Kollegen Gabriel Nocchi Macedo von der Universität Lüttich als Teil des Kindheitsevangeliums des Thomas identifiziert. Diese Entdeckung ist von außergewöhnlicher Bedeutung, da das Manuskript etwa 700 Jahre älter ist als die bislang älteste bekannte Abschrift des Textes, die aus dem 11. Jahrhundert stammt.

Das Kindheitsevangelium des Thomas – Ein Apokryphum mit einer eigenen Geschichte

Das Kindheitsevangelium des Thomas ist nicht zu verwechseln mit dem bekannten Evangelium nach Thomas, das eine Sammlung von 114 Sprüchen Jesu darstellt und zu den sogenannten „Gnostischen Evangelien“ zählt. Das Kindheitsevangelium des Thomas hingegen ist eine apokryphe Schrift, die die Kindheit Jesu behandelt und zahlreiche wunderbare Erzählungen über das frühe Leben Christi enthält. Diese Schrift wurde niemals in den biblischen Kanon aufgenommen und zählt somit zu den sogenannten Apokryphen – Texten, die zwar in der frühen christlichen Literatur weit verbreitet und populär waren, jedoch bei der Kanonisierung der Bibel bewusst ausgeschlossen wurden.

Die Gründe für das Ausscheiden des Kindheitsevangeliums des Thomas aus dem Kanon sind eindeutig und wissenschaftlich unstrittig: Das Werk wurde nicht von Thomas, dem Apostel, verfasst, sondern entstand viele Jahre nach den Ereignissen, die es beschreibt. Die Authentizität dieses Textes wurde von Anfang an infrage gestellt, da die Schrift nachweislich im 2. Jahrhundert, also weit nach der Zeit Jesu und der Apostel, verfasst wurde. Die kirchlichen Autoritäten der frühen Kirche entschieden sich deshalb aus gutem Grund, solche Schriften, die nicht auf Augenzeugenberichten basieren, von der kanonischen Bibel fernzuhalten. Auch heute sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass das Kindheitsevangelium des Thomas eine nachträgliche Erfindung ist, die keinen historischen Wert als authentische Quelle für das Leben Jesu hat.

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Historische Einordnung und Authentizität

Die Entdeckung des Papyrusfragments bietet jedoch neue Perspektiven auf die Überlieferung des Textes. Das Fragment wurde als Schreibübung in einer Klosterschule oder einem ähnlichen Umfeld vermutet, was durch die unregelmäßige Handschrift und die untypische Zeilenstruktur unterstützt wird. „Das Fragment ist von außerordentlichem Interesse, nicht nur, weil es der früheste erhaltene Text des Kindheitsevangeliums des Thomas ist, sondern auch, weil es uns neue Erkenntnisse zur Überlieferungsgeschichte dieses Textes liefert“, sagte Lajos Berkes.

Das Manuskript enthält Fragmente von etwa 13 Zeilen griechischer Schrift und beschreibt eine der bekanntesten Episoden des Evangeliums: Jesus formt aus Ton zwölf Spatzen und erweckt sie durch einen Klatscher zum Leben – eine wundersame Kindheitserzählung, die im frühen Christentum sehr populär war.

Bedeutung für die Forschung

Die Entzifferung des Papyrus war ein aufwendiger Prozess, der moderne digitale Technologien und den Vergleich mit anderen alten Papyri erforderte. Forscher konnten so nach und nach die griechischen Buchstaben entziffern und den Text des Evangeliums rekonstruieren. Die Entdeckung stellt einen Wendepunkt in der Erforschung der apokryphen Schriften dar und trägt dazu bei, das Verständnis der religiösen Literatur der Frühchristlichen Zeit zu vertiefen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Fund die Bedeutung der apokryphen Schriften in der frühchristlichen Welt unterstreicht und gleichzeitig die Vielfalt an Texten zeigt, die neben den vier kanonischen Evangelien existierten und von der frühen christlichen Gemeinschaft geschätzt wurden. Dennoch bleibt die klare Unterscheidung bestehen, dass das Kindheitsevangelium des Thomas aufgrund seiner späten Entstehung und mangelnden historischen Authentizität zu Recht nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurde.

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