Wahrscheinlich gehörst auch du zu der überwältigenden Mehrheit der Christen, die selten oder gar nicht fasten. Und das liegt nicht daran, dass wir unsere Bibel nicht gelesen, keine gute Predigt gehört oder nichts über die Kraft des Fastens erfahren hätten – oder dass wir es nicht aufrichtig wollen. Wir kommen nur einfach nie dazu, die Gabel tatsächlich aus der Hand zu legen.
Ein Grund dafür mag sein, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Essen allgegenwärtig ist. Wir essen nicht nur dann, wenn wir es brauchen, sondern manchmal sogar dann, wenn wir eigentlich gar keinen Appetit haben. Wir essen, um Gemeinschaft zu pflegen, um Beziehungen zu knüpfen oder zu vertiefen (alles gute Gründe) – oder einfach, um uns von Verantwortung abzulenken.
Und natürlich stehen uns auch unsere eigenen Begierden und das Verlangen nach Bequemlichkeit im Weg – und halten uns davon ab, den Unannehmlichkeiten des Fastens ins Auge zu sehen.
Nicht so hastig
Fasten bedeutet, freiwillig auf Nahrung – oder auf ein anderes regelmäßig genossenes, gutes Geschenk Gottes – zu verzichten, um eines geistlichen Ziels willen. Es ist ein zutiefst gegenkultureller Akt in unserer konsumorientierten Gesellschaft – vergleichbar etwa mit dem Entschluss, bis zur Ehe sexuell enthaltsam zu leben.
Wenn wir die fast vergessene Kunst des Fastens neu erlernen und ihre Frucht genießen wollen, wird das nicht geschehen, indem wir uns an den Takt der Gesellschaft anpassen – sondern indem wir unsere Bibeln aufschlagen. Dann wird die Frage nicht mehr lauten, ob wir fasten, sondern wann. Jesus setzt voraus, dass seine Nachfolger fasten – und er verheißt sogar, dass sie es tun werden. Er sagt nicht „wenn ihr vielleicht fastet“, sondern: „Wenn ihr fastet“ (Matthäus 6:16). Und er sagt nicht, dass seine Jünger vielleicht fasten werden, sondern: „Dann werden sie fasten“ (Matthäus 9:15).
Wir fasten in diesem Leben, weil wir an das zukünftige Leben glauben. Wir müssen nicht alles hier und jetzt bekommen, denn wir haben die Verheißung, dass wir im kommenden Zeitalter alles haben werden. Wir fasten von dem, was wir sehen und schmecken können, weil wir bereits geschmeckt und gesehen haben, wie gut der unsichtbare und unendliche Gott ist – und nun hungrig sind nach mehr von ihm.
Radikales, zeitlich begrenztes Mittel
Fasten ist etwas für dieses Leben – ein Mittel, um unser Herz zu weiten und inmitten von Schmerz und Not frische Luft aus Gottes Welt zu atmen. Es hilft uns auch im Kampf gegen die Sünde und Schwachheit in uns selbst. Im Fasten drücken wir unsere Unzufriedenheit mit unserem sündigen Ich aus – und unser tiefes Verlangen nach mehr von Christus.
„Fasten ist zutiefst gegenkulturell in unserer konsumorientierten Gesellschaft – vergleichbar mit sexueller Enthaltsamkeit bis zur Ehe.“
Wenn Jesus wiederkommt, wird das Fasten ein Ende haben. Es ist ein vorübergehendes Mittel für dieses Leben und diese Zeit – dazu bestimmt, unsere Freude an Jesus zu vertiefen und unser Herz auf die kommende Welt vorzubereiten, wenn wir ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Wenn er wiederkehrt, wird er nicht zu einem Fasten rufen, sondern ein Fest ausrichten. Dann wird jede Form heiliger Enthaltsamkeit ihren herrlichen Zweck erfüllt haben – und alle werden erkennen, welch wunderbares Geschenk sie war.
Bis dahin werden wir fasten.
Wie man mit dem Fasten beginnt
Fasten ist herausfordernd. Es klingt in der Theorie oft leichter, als es sich in der Praxis anfühlt. Man kann überrascht sein, wie gereizt man sich fühlt, wenn man nur eine Mahlzeit auslässt. So mancher idealistische Fastenanfänger hat sich vorgenommen, eine Mahlzeit zu übergehen – nur um festzustellen, dass der Magen ihn längst vorher zur Umkehr gedrängt hat.
Fasten klingt so einfach – und doch arbeiten Welt, Fleisch und Teufel zusammen, um zahllose Hindernisse aufzurichten, die uns davon abhalten. Um dir zu helfen, dich auf den langsamen Weg zu einem guten Fasten einzulassen, folgen hier sechs einfache Ratschläge. Sie mögen banal erscheinen, aber gerade als Einstieg für Menschen, die noch nie oder kaum bewusst gefastet haben, können sie hilfreich sein.
1. Fang klein an.
Versuche nicht, gleich eine ganze Woche zu fasten, wenn du noch nie gefastet hast. Fang mit einer Mahlzeit an – vielleicht einmal pro Woche über mehrere Wochen hinweg. Dann steigere dich auf zwei Mahlzeiten, schließlich auf einen ganzen Tag. Vielleicht wagst du später auch einmal ein zweitägiges Saftfasten.
Ein Saftfasten bedeutet: Du verzichtest auf alle festen Speisen und Getränke, mit Ausnahme von Wasser und Saft. Der Saft versorgt deinen Körper mit Nährstoffen und Zucker, sodass du leistungsfähig bleibst – und dennoch deutlich spürst, was es heißt, auf feste Nahrung zu verzichten. Ein völliger Verzicht auf Wasser wird grundsätzlich nicht empfohlen.
2. Plane, was du anstelle des Essens tust.
Fasten ist nicht einfach Selbstverzicht, sondern eine geistliche Übung, um mehr von Gottes Fülle zu suchen. Das heißt: Wir sollten bewusst planen, wie wir die Zeit nutzen, die wir sonst mit Essen verbringen würden. Ein großer Teil unseres Tages dreht sich um Mahlzeiten. Einer der wesentlichen Vorzüge des Fastens ist die zusätzliche Zeit für Gebet, Bibelmeditation oder konkrete Liebesdienste.
Bevor du dich also ins Fasten stürzt, entwickle einen einfachen Plan. Verknüpfe ihn mit dem geistlichen Ziel deines Fastens. Jedes Fasten sollte einen konkreten geistlichen Zweck haben. Definiere diesen Zweck – und finde einen entsprechenden Fokus, der die Mahlzeiten ersetzt. Ohne Ziel und Plan ist Fasten nicht christlich – sondern schlicht Hungern.
3. Bedenke, wie sich dein Fasten auf andere auswirkt.
Fasten ist keine Lizenz dafür, lieblos zu sein. Es wäre traurig, wenn durch deine bewusste Gottesausrichtung andere Menschen unter mangelnder Rücksicht leiden müssten. Liebe zu Gott und Nächstenliebe gehören zusammen. Gutes Fasten verbindet die vertikale Ausrichtung mit horizontaler Fürsorge. Idealerweise erleben andere sogar mehr Liebe und Aufmerksamkeit von dir, wenn du fastest.
Deshalb: Überlege im Vorfeld, wie sich dein Fasten auf andere auswirkt. Wenn du regelmäßig mit Kollegen zu Mittag isst oder mit Familie oder Mitbewohnern zu Abend, sprich im Voraus mit ihnen darüber, statt einfach nicht zu erscheinen oder ihnen im letzten Moment mitzuteilen, dass du nicht mitessen wirst.
Ein kleiner Tipp nebenbei: Wenn du es dir angewöhnt hast, regelmäßig mit bestimmten Menschen zu essen – und diese Mahlzeit fällt wegen Urlaub, Krankheit oder anderen Umständen aus –, nutze das als Gelegenheit zum Fasten, statt allein zu essen.
4. Probiere verschiedene Arten des Fastens aus.
Die gängige Form des Fastens ist persönlich, privat und partiell – doch in der Bibel finden wir eine große Bandbreite: persönliches und gemeinsames Fasten, verborgenes und öffentliches, gemeindliches und nationales, regelmäßiges und anlassbezogenes, totales und teilweises Fasten.
Besonders wertvoll kann es sein, gemeinsam mit der Familie, der Kleingruppe oder der Gemeinde zu fasten. Gibt es ein gemeinsames Anliegen, bei dem ihr dringend Gottes Weisheit und Führung braucht? Erlebt ihr eine außergewöhnliche Not in der Gemeinde oder Gesellschaft, die euch veranlasst, um Gottes Eingreifen zu bitten? Wollt ihr das zweite Kommen Christi bewusst im Blick behalten? Dann verbindet euch mit anderen Gläubigen im Fasten – und ruft mit besonderem Ernst zu Gott um Hilfe.
5. Verzichte auf etwas anderes als Nahrung.
Fasten im engeren Sinn – also der Verzicht auf Nahrung – ist nicht für jeden geeignet. Bestimmte gesundheitliche Einschränkungen hindern selbst hingegebene Gläubige daran, auf klassische Weise zu fasten. Doch Fasten ist nicht auf Essen beschränkt. Martyn Lloyd-Jones sagte treffend:
„Fasten sollte eigentlich jede Form von Verzicht auf etwas beinhalten, das an sich legitim ist – um eines besonderen geistlichen Ziels willen.“
Wenn es in deinem Fall aus gesundheitlichen Gründen nicht ratsam ist, auf Nahrung zu verzichten, dann zieh in Betracht, auf andere Dinge zu verzichten: Fernsehen, Computer, soziale Medien oder andere regelmäßige Freuden, um dein Herz stärker auf die Freude an Jesus auszurichten. Paulus erwähnt sogar, dass Ehepaare für eine begrenzte Zeit auf ehelichen Verkehr verzichten, „damit ihr euch dem Gebet widmet“ (1. Korinther 7:5).
6. Denk nicht an weiße Elefanten.
Wenn dein leerer Magen knurrt und dein Gehirn mit allen „Iss endlich!“-Signalen bombardiert, dann begnüge dich nicht damit, nur an das Nichtessen zu denken. Wenn du das Fasten mit eiserner Willenskraft durchstehst, deinem Magen widerstehst, aber deinen Blick nicht bewusst auf etwas anderes richtest, dann zeigt das letztlich mehr Liebe zum Essen als Liebe zu Gott.
Christliches Fasten richtet den Blick auf Jesus – oder auf eine große Sache, die ihm am Herzen liegt. Es ist der Versuch, die Schmerzen des Hungers in einen ewigen Lobgesang zu verwandeln: sei es im Kampf gegen Sünde, im Ringen um die Errettung eines Menschen, im Einsatz für das ungeborene Leben oder im tiefen Sehnen nach mehr von Jesus.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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