Gedanken über das Danken

Dankbarkeit

Die Gabe und der Geber 

Wenn Kinder etwas bekommen, was sie sehr gut finden, sind sie meistens begeistert. Oft müssen die Eltern ihre Kinder dann aber noch daran erinnern, dass sie sich bedanken sollen. Die Kinder sind so eingenommen von der Gabe, dass sie völlig vergessen, dass es auch einen Geber gibt. 

Wenn Erwachsene ein Geschenk bekommen, aber nicht wissen von wem, fragen sie oft, bei wem sie sich bedanken können. Das zeigt, dass der Dank nicht bei der Gabe an sich stehen bleibt, sondern den Geber ins Auge fasst. 

Wenn ein Atheist wundersam vor einem Unglück bewahrt wurde, kann er glücklich oder erleichtert darüber sein, aber nicht wirklich dankbar, denn wem soll er danken? Es gibt ja keinen Geber.

Wir sind aber nicht nur für Dinge dankbar, die uns erfreuen, sondern auch für Dinge, die wir eigentlich nicht wirklich brauchen. Eltern freuen sich über ein Bild ihres Kindes und sind dankbar dafür, selbst wenn sie mit dem Bild eigentlich nichts anfangen können. Der Grund ist, dass der Geber einer Gabe sich mitschenkt. Nicht das gemalte Bild an sich macht die Eltern dankbar, sondern, dass ihr Kind an sie denkt. Nicht das Geschenk des Verlobten an sich macht die Verlobte dankbar und Glücklich, sondern weil der Verlobte ihr das Geschenk macht ist sie glücklich. Der Geber schenkt sich in der Gabe, sofern er es freiwillig tut, selbst mit. 

Dankbarkeit ist also eine Haltung, die einen durch eine Gabe auf den Geber aufmerksam macht. Oder in der Gabe erkennt, dass der Geber sich selbst mitschenkt. 

Dank mündet folglich im Lob für den Geber. Was aber hindert mich zu danken?
Der Psalm 103 kann dazu sehr aufschlussreich sein. 

Die Gabe sehen 

Von David. Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.

(Psalm 103: 1-5) 

Der Beter erkennt die Gaben, die Gott ihm gegeben hat und lobt daraufhin Gott. Ein Grund, warum ich oft nicht dankbar bin, ist: ich sehe die Gabe nicht. Oft sehe ich nur mein Leid. Sehe nur meine eigenen Probleme. Sehe nur die Sorgen, die mich erdrücken. Ich sehe aber nicht die Gaben, die ich bekommen habe, von meinem Nächsten und von Gott. Der Psalmist sieht aber, was Gott für ihn getan hat. Er hat von Gott Vergebung empfangen, Erlösung, Barmherzigkeit. Gott ernährt und versorgt ihn, schafft ihm Gerechtigkeit. David schaut auf die Gaben Gottes und muss deshalb ein Lob auf den Geber anstimmen. 

Ich sehe aber oft nur das, was ich nicht habe, bin unzufrieden und will immer mehr. In Christus habe ich alles und begreife es oft nicht. Paulus hingegen bittet für die Epheser, dass Gott ihnen die Sicht erhellt, damit sie erkennen, was die Hoffnung seiner Berufung ist und der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen (Eph. 1:15-23). Er hatte es erkannt und deshalb kann er für die Epheser danken. 

Der Theologe Bernd Janowski bemerkt in Bezug auf die Psalmen, dass der Sinn des Daseins nicht die „Sprachlosigkeit des Leidens [ist], sondern das Loben Gottes, der vom Leiden befreit.“1 Immer und immer wieder kommen die Klagenden und Leidenden Psalmschreiber zum Gotteslob, wenn sie an das denken, was Gott ihnen gegeben hat. 

Wer nicht erkennt, was er von Gott bekommen hat, wird auch nicht danken können. 

Gott, der Geber

Aber dieser Psalm zeigt uns noch eine andere Voraussetzung (10-18) auf: 

„Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten. Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.“

Um dankbar zu sein, müssen wir unsere Blicke von uns weg auf den Geber richten. Wer stolz ist auf die Situation, in der er gerade ist, der ist nicht dankbar. Wer meint, dass er selbst verantwortlich ist für das, was er im Moment hat, der wird nicht dankbar sein. David ist dankbar, weil er erkannt hat, dass alles, was er ist und hat nicht aus ihm selbst kommt, sondern aus Gottes Gnade. Er ist dankbar, weil er erkannt hat, dass er das, was er hat, nicht verdient hat, sondern, dass Gott eigentlich anders mit ihm verfahren müsste, weil David sündig ist. Dankbarkeit setzt voraus, dass ich den Geber erkenne. Dankbarkeit setzt voraus, dass ich meinen Stolz begrabe. Und wer einmal dankbar ist, wird seinen Stolz immer mehr begraben, weil er merkt, dass er da, wo er ist, nur deshalb steht, weil es Gottes Gabe ist. 

Eine Studie hat ergeben, dass Dankbarkeit in der Tat egozentrische Orientierungen reduziert. Der Mensch kann erst dann danken, wenn er merkt, dass viele Faktoren, auf die er keinen Einfluss hat, stimmen mussten und müssen, damit er dort stehen kann, wo er steht; was kann ich dafür, dass ich geboren wurde? Was kann ich dafür, dass ich geistig gesund und in Deutschland und nicht in Nordkorea oder Afghanistan geboren wurde? Was kann ich dafür, dass ich noch nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen bin? Erst, wenn ich mich nicht mehr so wichtig nehme, werde ich dankbar sein. Voraussetzung um dankbar zu sein ist also, dass ich meinen Stolz begrabe. Dann wird das Danken dazu führen, dass ich mich immer mehr auf den Geber meines Daseins konzentriere. 

Warum sollte man aber dankbar sein und seinen Stolz begraben? Dankbarkeit fördert Gesundheit, Wohlbefinden, Optimismus.2 Theologisch betrachtet führt Dankbarkeit dazu, dass man sich immer mehr auf den fokussiert, der einem das Leben gegeben hat und es erhält. Der also, dem man seine Existenz verdankt. Ich bejahe und ehre also den Geber meines Lebens. Lasse ich dem Stolz wieder Raum und schaue nur auf mich selbst, verliere ich diesen Geber und damit auch mein Leben. Erst die Hinkehr zu Gott in Dank und Anbetung lässt mich wirklich leben. Denn in der Gabe schenkt Gott dem Menschen seine Zuwendung und dadurch sich selbst. Der Dank zeigt, dass er die Zuwendung Gottes in der Gabe erkannt hat. 

Auch David ist sich bewusst, dass er selbst nur Staub ist und vergeht und er nur durch die Gnade Gottes ewig leben darf. 

Was macht mich dankbar? Dankbar macht mich die Erkenntnis der Gaben, dankbar macht mich die Erkenntnis des Gebers. Nur wer seinen Stolz begräbt und sich freimachen lässt von sich selbst, der kann wirklich dankbar sein. 

  1. Gennerlich, Carsten, die-bibel.de: Dankbarkeit, 11.04.2025, 12:09 Uhr, https://www.die-bibel.de/ressourcen/wirelex/6-inhalte-iii-systematisch-theologische-didaktik/dankbarkeit. ↩︎
  2. Vgl. Gennerlich: Dankbarkeit. ↩︎

Avatar von Hedrik Seel

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