„Daraufhin kaufte dieser feines Leinentuch, nahm Jesus vom Kreuz ab und wickelte ihn in das Tuch. Dann legte er ihn in eine Grabhöhle, die aus dem Felsen gehauen war, und wälzte einen Stein vor den Eingang.“ (Mk 15:46)
Wir alle wissen, dass Jesus starb. „Vater, in deine Hände gebe ich meinen Geist.“ Mit diesen Worten starb er (Lk 23:46). Aber was geschah nach seinem Tod? Wir wissen, dass sein Leib in Josefs Grab gelegt wurde, doch was geschah mit seiner menschlichen Seele?
Über diese Frage nachzudenken, wirft nicht nur Licht auf die Lehre der Bibel über Tod und das Leben nach dem Tod, sondern es ist auch eine große Ermutigung für uns, die wir selbst dem Tod entgegensehen müssen und dies ohne Furcht tun wollen.
Was ist der Tod?
Zuerst einmal: Was genau ist der Tod? Tod bedeutet Trennung, das Auseinanderreißen von Dingen, die eigentlich zusammengehören. Im Kern ist Tod die Trennung von Gott. Paulus deutet dies in Eph 2:1–2 an: „Auch euch ‹hat er mit Christus lebendig gemacht›, obwohl ihr durch eure Sünden und Verfehlungen tot wart.“ In der Sünde zu leben heißt, tot zu sein, versklavt unter finstere Mächte, getrennt von Gott, Kinder seines Zorns. Diese Art der Trennung ist eine Entfremdung, eine Feindschaft, eine Loslösung vom Leben und der Hoffnung des lebendigen Gottes. In diesem Sinn sind wir alle von Natur aus tot, und gerade diesen Tod hat Jesus in seinem Leiden am Kreuz erduldet.
Doch Tod ist mehr als nur die Trennung von Gott. Tod bedeutet auch die Trennung der Seele vom Leib. Gott hat den Menschen als leibliche Seele und beseelten Leib geschaffen, und der Tod reißt diese Einheit auseinander. Doch was geschieht mit diesen beiden Teilen nach der Trennung? Ps 16:10 gibt uns einen Einblick:
„Denn mein Leben überlässt du nicht dem Totenreich, / dein treuer Diener wird die Verwesung nicht sehen.“
Dieser Vers beschreibt den gewöhnlichen Ablauf des Todes vor Jesu Tod und Auferstehung: Die Seele wurde dem Scheol überlassen, und der Leib verfiel der Verwesung.
„Gott schuf die Menschen als verkörperte Seelen und beseelte Körper. Der Tod zerreißt diese Verbindung.“
In Apg 2:29–31 erklärt Petrus, dass David in diesem Psalm die Auferstehung Christi voraussah: „Er wurde nicht im Tod zurückgelassen, die Verwesung griff seinen Körper nicht an“ (beachte, dass Petrus die zweite Zeile auf Jesu Leib/ Fleisch bezieht). Vor Christus also gingen die Seelen der Menschen in den Scheol (oder Hades), während die Leiber verfielen. Mit Letzterem sind wir vertraut, Ersteres ist uns oft fremd. Eine kurze Bibelstudie zeigt, warum Petrus Davids Prophetie als so gute Nachricht versteht.
Was ist der Scheol?
Im Alten Testament ist der Scheol der Ort, an dem sich die Seelen der Verstorbenen befinden, sowohl die der Gerechten (z. B. Jakob in 1Mo 37:35, Samuel in 1Sam 28:13–14) als auch die der Gottlosen (Ps 31:17). Im Neuen Testament wird das hebräische Wort Sheol mit Hades übersetzt und die Beschreibungen von Scheol im Alten und Neuen Testament ähneln in manchem dem Hades der griechischen Mythologie. Er liegt unter der Erde (4Mo 16:30–33), er ist wie eine Stadt mit Toren (Jes 38:10) und Riegeln (Hiob 17:16). Es ist ein Land der Finsternis, wo die „Schatten“, die schemenhaften Seelen der Toten, wohnen (Jes 14:9; 26:14). Es ist ein Land des Vergessens (Ps 88:12), wo keine Werke getan und keine Weisheit gefunden werden (Pred 9:10). Am schwerwiegendsten aber: Im Scheol lobt niemand Gott (Ps 6:5; 88:10–11; 115:17; Jes 38:18).
Im Neuen Testament findet sich die ausführlichste Darstellung des Jenseits in Lk 16:19–31. Dort lernen wir, gleichwie der Hades in der griechischen Mythologie, hat der biblische Scheol zwei Bereiche: den eigentlichen Hades (wo der reiche Mann hinkommt, Lk 16:23) und den „Schoß Abrahams“ (wohin die Engel den armen Lazarus tragen, Lk 16:22). Der Hades ist ein Ort der Qual, ein Feuer, das die dort Gefangenen peinigt. Der Schoß Abrahams dagegen ist, obwohl „in Rufweite“ (vgl. Lk 16:26), wie das griechische Elysium, ein Ort des Trostes und der Ruhe.
Obwohl vieles noch im Dunkeln liegt, nimmt das Bild allmählich Gestalt an. Alle Seelen der Toten gingen in den Scheol/Hades, aber der Scheol ist zweigeteilt, ein Bereich für die Gerechten und einer für die Gottlosen. Die Gerechten vor Christus waren zwar von den Lebenden abgeschnitten (und damit auch vom Gotteslob auf Erden), aber sie litten nicht wie die Gottlosen.
Wohin ging Jesus, als er starb?
Was bedeutet das nun für Jesu Aufenthalt am Karsamstag? Manche Christen schließen aus Jesu Worten zum Schächer am Kreuz (Lk 23:43), dass seine Seele nach dem Tod sofort in den Himmel zum Vater ging. In Lukas 23,43 heißt es jedoch nicht, dass Jesus in der Gegenwart Gottes sein würde, sondern dass er in der Gegenwart des Schächers sein würde („Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“). Ausgehend vom Alten Testament und Lukas 16 scheint es wahrscheinlich, dass der nun reuige Schächer an Abrahams Seite sein würde, einem Ort des Trostes und der Ruhe für die gerechten Toten, den Jesus hier als „Paradies“ bezeichnet.
„Nach seinem Tod für die Sünden der Menschheit begibt sich Jesus in den Hades, die Stadt des Todes, und reißt deren Tore aus den Angeln.“
Nach seinem Tod für die Sünde also ging Jesus in den Hades, in die Stadt des Todes, und sprengte ihre Tore. Er befreite Abraham, Isaak, Jakob, David, Johannes den Täufer und alle übrigen Gläubigen des Alten Bundes, indem er sie aus der Macht des Scheol erlöste (vgl. Ps 49:15; 86:13; 89:48). Sie hatten lange gewartet, ohne die Erfüllung der Verheißung zu sehen, damit ihre Geister zusammen mit den Gläubigen des Neuen Bundes vollendet würden (Hebr 11:39–40; 12:23).
Nach seiner Auferstehung steigt Jesus in den Himmel auf und bringt die Erlösten mit sich, sodass das Paradies nun nicht mehr unten in der Nähe des Ortes der Qual liegt, sondern oben im dritten Himmel, dem höchsten Himmel, wo Gott wohnt (2Kor 12:2–4).
Jetzt, im Zeitalter der Gemeinde, werden die Gerechten, wenn sie sterben, nicht einfach von Engeln in Abrahams Schoß getragen; sie gehen fort, um bei Christus zu sein, was weitaus besser ist (Phil 1:23). Die Gottlosen jedoch bleiben im Hades in Qual, bis zum Endgericht, wenn der Hades die Toten herausgibt, sie nach ihren Werken gerichtet werden und schließlich Tod und Hades selbst in die Hölle, den Feuersee, geworfen werden (Offb 20:13–15).
Gute Nachricht für uns
Welche Bedeutung hat das für die Karwoche? Jesu Gang in den Hades zeigt, dass er uns in allem gleich geworden ist. Er trug nicht nur den Zorn Gottes an unserer Stelle – er erduldete auch den Tod selbst, die Trennung von Seele und Leib. Sein Leib war im Grab des Josef (Lk 23:50–53), seine Seele drei Tage im Scheol, „im Herzen der Erde“ (Mt 12:40).
Doch wie Psalm 16 klar macht, ist Jesus nicht nur wie wir, er ist auch anders. Sein Leib wurde begraben, wie unserer, aber er sah keine Verwesung. Seine Seele ging in den Hades, wie die der Heiligen des Alten Testaments, aber sie wurde dort nicht gelassen. Gott erweckte ihn von den Toten, vereinte seine Seele mit einem nun verherrlichten Leib und machte ihn so zu den Erstlingsfrüchten der Auferstehung.
„Wenn wir sterben, schließen wir uns dem Engelschor und den Heiligen der Vergangenheit an, um das Lamm zu preisen.“
Und das ist eine gute Nachricht für uns, denn wer in Christus ist, muss nicht mehr ins Land des Vergessens, wo niemand Gott lobt. Stattdessen schließen wir uns nach unserem Tod dem Engelschor und den Heiligen der Vergangenheit an, um das Lamm zu preisen, das für uns und unser Heil geschlachtet wurde.
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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