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Mehr Miteinander statt Abgrenzung: Wie Evangelikale und Volkskirche voneinander lernen können

Die evangelikale Bewegung und die Volkskirche – zwei Strömungen innerhalb des Protestantismus, die oft nebeneinander existieren, manchmal in Spannung zueinander stehen und doch viel voneinander lernen könnten. Wie kann ein konstruktiver Umgang zwischen beiden aussehen? Dieser Frage widmete sich die Tagung „Evangelikale Bewegung(en): Geschichte, Theologie(en), Potenziale, Grenzen“ in der Evangelischen Akademie Loccum. Die zentrale Botschaft: Mehr Pragmatismus, weniger Ideologie und ein ehrlicher Dialog sind nötig.

Evangelikale – weder Exoten noch politische Gefahr

Dr. Erhard Berneburg, Missions-Experte und ehemaliger Direktor der Arbeitsstelle midi, betonte in seinem Vortrag, dass Evangelikale oft in einer Schublade landen – entweder als exotische Sondergemeinschaft oder als politische Gefahr. Doch beides werde ihnen nicht gerecht. „Evangelikale sind ein wichtiger Teil der evangelischen Kirche. Es geht nicht um Abgrenzung, sondern um innerprotestantische Ökumene“, so Berneburg.

Besonders wehrte er sich gegen den Vorwurf, Evangelikale seien anfällig für Rechtspopulismus. Vielmehr hätten sich offizielle Vertreter evangelikaler Verbände eindeutig von neurechten Bewegungen distanziert. Sein Fazit: „Kirche und evangelikale Bewegung gehören zusammen. Sie brauchen einander.“

Gnadauer Präses Kern: „Pietismus statt Populismus“

Dass Evangelikale nicht mit Fundamentalismus oder politischer Radikalität verwechselt werden sollten, unterstrich auch Steffen Kern, Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbands. In seinem Referat plädierte er für eine geistliche Erneuerung der Kirche durch freie Werke und Bewegungen. Sein Schlagwort: „Pietismus statt Populismus.“

Fundamentalismus, so Kern, sei problematisch, weil er aus Glaubensgewissheit eine starre Sicherheit machen wolle. Dies widerspreche jedoch dem Wesen des christlichen Glaubens, der stets von Schöpfung und Erneuerung geprägt sei. Gleichzeitig rief er dazu auf, die Bedeutung der Bibel ernst zu nehmen, ohne sie über die trinitarische Glaubenslehre zu erheben.

Sein Fazit: „Wenn wir nicht mehr hoffen, erstarrt unser Handeln. Die Kirche braucht freie Werke und geistliche Bewegungen, um lebendig und gesellschaftlich relevant zu bleiben.“

Pfarrerin Völkner: Kirche muss sich auf die Menschen zubewegen

Ein weiteres starkes Plädoyer für eine Kirche in Bewegung kam von Pfarrerin Dr. Andrea Völkner. Ihr unkonventioneller Auftritt im Gothic-Style sorgte für Aufmerksamkeit, doch ihre Botschaft war noch eindrucksvoller: „Kirche muss sich nach den Menschen richten.“

Anhand ihrer Erfahrungen im Gemeindeprojekt Weit.Blick in Berlin machte sie deutlich, dass Christsein nicht Selbstzweck sein dürfe. „Wir brauchen eine neue Sehnsucht nach den Menschen“, forderte sie. Das Fresh-X-Konzept, das neue Gemeindeformen mit traditionellen Elementen verbindet, zeige, wie Glaube und Leben neu zusammenfinden können.

Fazit: Ein neues Miteinander ist möglich

Die Tagung machte deutlich: Kirche und Evangelikale haben oft mehr Gemeinsames als Trennendes. Wenn sie sich nicht als Konkurrenz, sondern als gegenseitige Bereicherung verstehen, können beide Seiten gewinnen. Dazu braucht es Offenheit, Dialog und die Bereitschaft, alte Muster zu hinterfragen. Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus – das wäre ein lohnender Weg für die Zukunft.

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