Als die zwanzigjährigen Technik-Wunderkinder des Silicon Valley die Welt mit neuen, glänzenden Enthüllungen von iPods, dann iPhones und schließlich iPads in Staunen versetzten, hatten viele der Erfinder keine Kinder. Nur wenige hatten Teenager. Heute haben die meisten von ihnen Kinder und viele haben Teenager, Teenager, die süchtig nach den Geräten sind, die ihre Eltern vor Jahren in die Welt gesetzt haben.
Das ist die Geschichte von Tony Fadell, einem ehemaligen Senior Vice President bei Apple, bekannt als der „Großvater des iPod“ und eine Schlüsselfigur im frühen Designteam des iPhone. Zum zehnjährigen Jubiläum des iPhone gab er in einem Interview folgendes zu: „Ich wache manchmal schweißgebadet auf und denke: Was haben wir da in die Welt gebracht?
Fadell, Vater von drei Kindern, hat die süchtig machende Kraft des iPhone erkannt, eine Sucht, die sich nicht einfach beseitigen lässt. „Ich weiß, was passiert, wenn ich meinen Kindern diese Technik wegnehme. Sie fühlen buchstäblich so, als würde man ihnen ein Stück ihrer selbst entreißen und sie werden emotional, sehr emotional. Sie haben zwei bis drei Tage lang Entzugserscheinungen.“
„Diese selbstbezogene Kultur fängt langsam an, wirklich zu stinken“, sagte Fadell. „Eltern wussten nicht, was sie tun sollten. Sie wussten nicht, dass das etwas war, das sie ihren Kindern beibringen mussten, weil wir es selbst nicht wussten. Wir alle wurden irgendwie hineingezogen.“
Ja, wir alle wurden hineingezogen, Technikfreaks, Teenager und Eltern. Wir alle. Und jetzt versuchen wir herauszufinden, wie wir mit unseren Geräten weise umgehen können.
Teenager, Smartphones und Depression
Die digitale Vereinnahmung fiel zusammen mit den sich rasant verändernden Dynamiken des öffentlichen Highschool-Lebens. Letzten Winter fragte ich eine stellvertretende Schulleiterin an einer großen Highschool in den Twin Cities (mit mehr als 2.000 Schülern), wie sich ihre Arbeit in den letzten zwei Jahrzehnten verändert habe.
Vieles sei gleich geblieben, sagte sie. „Aber das eine, das sich in der Arbeit mit Teenagern über zwanzig Jahre hinweg drastisch verändert hat, ist die Abhängigkeit, die sie jetzt von der sofortigen Bestätigung und Rückmeldung anderer haben. Wie viele Likes habe ich? Wie viele Leute folgen mir? Und es gibt diesen Zwang, etwas online zu stellen, um zu sehen, wie viele Likes man bekommt. Und wenn das schon nicht genug ist, was sagt das dann über mich aus?“
„Es gibt eine wirklich starke Verbindung zwischen diesem Verhalten und den zunehmenden psychischen Problemen, die wir an der Schule sehen“, sagte sie. „In den letzten drei bis fünf Jahren, würde ich sagen, hat sich meine Arbeit am meisten verändert, weil wir jetzt mit viel mehr psychischen Problemen zu tun haben. Ich glaube nicht, dass das ausschließlich an der Technologie liegt, aber ich bin wirklich überzeugt, dass digitale Technologie ein entscheidender Faktor ist. Sie verändert alles, von der Art, wie Menschen miteinander umgehen, bis hin dazu, wie sie sich selbst sehen.“
Zerstörung einer Generation
Die kalten Schweißausbrüche von Fadell und der Augenzeugenbericht dieser stellvertretenden Schulleiterin spiegeln sich in der eindringlichen Schlagzeile eines in The Atlantic veröffentlichten Artikels wider: „Haben Smartphones eine Generation zerstört?“
iGen ist das neue Etikett für diejenigen, die ungefähr zwischen 1995 und 2005 geboren wurden und heute zwischen 30 und 35 Jahre alt sind. Unter ihnen sind die Warnzeichen weit verbreitet. „Die Raten von Depressionen und Suiziden unter Teenagern sind seit 2011 in die Höhe geschossen“, schrieb Autorin Jean Twenge über die Herausforderungen, mit denen die iGen-Generation konfrontiert ist. „Es ist keine Übertreibung, iGen als am Rande der schlimmsten psychischen Gesundheitskrise seit Jahrzehnten zu beschreiben. Ein Großteil dieses Negativ-Trends lässt sich auf ihre Handys zurückführen.“
„Je mehr Zeit Teenager vor Bildschirmen verbringen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie über Symptome einer Depression berichten“, und „Mädchen haben den größten Teil des Anstiegs depressiver Symptome unter den heutigen Jugendlichen zu tragen.“ Twenge zitiert Quellen, die zeigen, dass Depressionen bei Jungen und Mädchen gleichermaßen zunehmen. Bei Jungen stiegen die Depressiv-Symptome zwischen 2012 und 2015 um 21 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahmen sie bei Mädchen um 50 Prozent zu. Auch die Selbstmordraten stiegen für beide Geschlechter. Die männlichen Selbstmorde verdoppelten sich; die weiblichen verdreifachten sich.
Nach dem, was ich über diese Zunahme von Depressionen weiß, und was ich über die Faszination unserer Geräte herausgefunden habe, geht es hier um existentielle Fragen über den Sinn des Lebens und die Akzeptanz durch andere. Es sind gewaltige Fragen, die schwer auf einer jungen Generation lasten. Es sind Fragen nach Erlösung und Identität, Fragen des Evangeliums.
Digitale Medien drängen Teenager und noch jüngere Menschen in den 24-Stunden-Druckkessel ständiger Bestätigung durch Gleichaltrige. Aber es betrifft nicht nur Jugendliche, denn wir alle spüren diese süchtig machende Anziehungskraft unserer sozialen Medien. Smartphones scheinen uns alle auf mindestens zwölf mächtige Arten zu beeinflussen.
Doch die Frage, die sich hier stellt, ist ziemlich einfach: Ist es angesichts all dieser Warnzeichen möglich für einen Teenager den Kräften der Kultur zu widerstehen und ohne Smartphone durch seine Schulzeit zu gehen?
Smartphone-Freie Teenager
Ich fragte Jaquelle Crowe, die Autorin des ausgezeichneten Buches This Changes Everything: How the Gospel Transforms the Teen Years (dt. Das verändert alles: Wie das Evangelium die Teenagerjahre verwandelt), genau diese Frage. Sie ist ein seltenes Beispiel für ein iGen-Teenager, der die Anschaffung eines Smartphones bis zum 18. Lebensjahr hinausgezögert hat. Ich fragte sie, wie diese Zeit für sie war.
Reinke: Jaquelle, danke, dass du dir die Zeit nimmst, deine Erfahrungen zu teilen. Studien deuten zunehmend darauf hin, dass die Raten von Depressionen unter Jugendlichen steigen und es gibt keinen Einzel-Faktor, auf den dieser Trend zurückzuführen ist. Aber die allgegenwärtige Verbreitung von Smartphones unter iGen-Teenagern muss als wesentliche Ursache in Betracht gezogen werden. Würde dich dieser Zusammenhang überraschen?
Crowe: Überhaupt nicht. Smartphones tragen erheblich zu der 24/7-Anerkennungskultur bei, in der wir leben. Es gibt kein Entkommen. Das ist etwas, das unsere Eltern nicht immer verstehen, denn als sie Teenager waren, war diese Kultur weitgehend auf den Schultag von 9 bis 15 Uhr beschränkt, danach kehrte man in die Langeweile des Familienlebens zurück.
Aber jetzt gibt es soziale Medien rund um die Uhr. Es gibt ein ständiges Spiel von Vergleich und Bestätigung, dem man nicht entkommen kann. Und es ist lähmend, erschöpfend und zweifellos stressig. Du kannst den Likes, den Shares, den Nachrichten, den Bildern nicht entkommen. Es ist, als würde der Beliebtheitswettbewerb nie enden. Und das funktioniert in beide Richtungen: Dein Smartphone gibt dir einen Platz in der ersten Reihe, um diesen Wettbewerb mitanzusehen.
Reinke: Das ist eine mächtige Dynamik und es ist schwer der “Beliebtheitskultur” zu entkommen, sowohl dem Mitmachen als auch dem Zuschauen. Du hast erst mit 18 ein Smartphone bekommen, aber deine Freunde hatten schon früher welche, richtig?
Crowe: Ja, das stimmt, und mir war sehr bewusst, dass die meisten meiner Gleichaltrigen Zugang zu etwas hatten, das mir fehlte. Ich konnte genau sagen, wer meiner Freunde ein Handy hatte, einfach weil ich es sah. Wenn Alison eins bekam, wusste ich es. Wenn Jared eins bekam, wusste ich es. Nicht, weil sie damit prahlten oder mich damit beschämten, sondern weil es immer präsent war. Selbst wenn wir miteinander redeten, vibrierte oder piepte es, oder sie spielten damit herum. Wenn es eine Pause gab, einen Moment der Stille, waren sie an ihren Handys, und ich blieb in der unangenehmen Leere und Langeweile zurück.
Das verstärkte definitiv mein FOMO (fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen). Es nährte auch gewisse Unsicherheiten. Auch wenn meine Freunde mich nie seltsam behandelten, weil ich kein Smartphone hatte, war es doch eine unausgesprochene Erwartung, und sie waren überrascht, wenn sie herausfanden, dass ich keins besaß. Es gab Zeiten, in denen ich die Außenseiterin war, nicht nur unter meinen Freunden, sondern in meiner ganzen Generation. Es gab Zeiten, in denen ich durch Einkaufszentren ging, in einer Schlange oder auf dem Bürgersteig stand, mich umschaute, ganz präsent und offline, und ein Meer von Teenagern sah, die auf ihre Smartphones starrten. Ich war die Ausnahme, und das fühlte sich seltsam an.
Manchmal fühlte ich mich einsam, selbst wenn ich von Menschen umgeben war. Sie waren ständig verbunden, und ich war isoliert. Ich fühlte mich eingeschränkt durch meinen fehlenden Zugang. Gleichzeitig war mir klar, dass meine Eltern recht hatten, dass ich zu diesem Zeitpunkt kein Handy brauchte.
Reinke: Ich bewundere deine Eltern für ihren Weitblick und ihre Überzeugung. Die meisten Eltern, fürchte ich, geben einfach dem Druck nach, so wie ihre Teenager dem Druck nachgeben. Ein Dominoeffekt von Erwartungen, dem auch ich mich als Elternteil ausgesetzt fühle. Aber es lohnt sich, diese Entscheidung gründlich zu durchdenken, denn die Einführung eines voll funktionsfähigen Smartphones ist eine Entscheidung, die man kaum rückgängig machen kann. Wie viel Vertrauen erfordert das für einen Teenager, zu warten? Es scheint, man muss seinen Eltern mehr vertrauen als seinen Freunden und das ist ja ein großes Problem der Teenagerjahre.
Crowe: Es erfordert Vertrauen, definitiv. Und damit verbunden die Bereitschaft, sich zu unterordnen und zu gehorchen. Letztlich setzt es die Erkenntnis voraus, dass deine Eltern tatsächlich dein Bestes im Blick haben, emotional, geistlich, mental und körperlich und dass sie dich besser kennen als deine Freunde.
Das Ding ist: Tief im Innern wissen das die meisten Teenager. Sie wehren sich nur, weil es ihnen peinlich ist, kein Smartphone zu besitzen.
Reinke: Ich nehme an, du hattest zumindest Zugriff auf ein Handy?
Crowe: Ja. Wenn ich unterwegs war, lieh ich mir oft das Klapphandy meiner Mutter, das ich im Falle eines Notfalls benutzen konnte. Ich habe es fast nie benutzt.
Reinke: Das ist klug. Und wie war es mit digitalen Medien, worauf hattest du vor dem Smartphone Zugriff?
Crowe: Ich hatte einen Computer, eine E-Mail-Adresse, Zugang zu einigen sozialen Medien. Technisch gesehen konnte ich alles von zu Hause aus tun. Aber in einer digitalen Welt, deren Reichweite ständig wuchs, fühlte sich das trotzdem begrenzt an.
Reinke: Verständlich. Und was würdest du heute, mit 20 Jahren, Eltern raten, die die Vor- und Nachteile abwägen, all die Berichte lesen und zu dem Schluss kommen, dass es vernünftiger wäre, ihren Teenagern erst, wenn sie etwas älter sind, ein Smartphone zu geben? Mit welchem Widerstand, seitens der Kinder, sollten sie rechnen?
Crowe: Zu den Eltern würde ich sagen: Es lohnt sich, wenn eure Kinder warten. Ich habe es erlebt, gehört und kann es bezeugen, seit ich mein eigenes Smartphone habe. Smartphones verändern dich. Sie geben dir überwältigenden und schockierenden Zugang. Sie rauben dir die Aufmerksamkeitsspanne. Sie machen massiv süchtig. Man kann (und sollte!) Schutzmaßnahmen treffen, aber ein Smartphone verändert Herz und Geist grundlegend. Wenn Teenager diese Veränderung hinauszögern können, halte ich das für sehr weise.
Bringt euren Teenagern Disziplin und Unterscheidungsvermögen bei, bevor ihr ihnen die Gefahren eines Smartphones anvertraut. Natürlich sind Smartphones nicht von Natur aus böse; sie können auch zum Guten gebraucht werden. Aber man muss sie richtig gebrauchen.
Wenn ihr euren Teenager warten lasst, spielt die schmerzhafte Ausgrenzung, die sie empfinden werden, nicht herunter, nutzt diese Zeit, um sie vorzubereiten, Technologie weise und verantwortungsvoll zu nutzen. In den Händen unreifer, unvorbereiteter Teenager können Smartphones gefährlich werden.
Was den Widerstand betrifft, den Eltern sicher zu hören bekommen werden: Teenager werden sich ausgeschlossen fühlen. Das kann sie frustrieren, verwirren, traurig oder wütend machen und wenn sie dann ausrasten, sind das die Gründe dafür. Sie könnten das Gefühl haben, von ihren Freunden getrennt zu sein. Sie könnten den Schmerz des Gruppenzwangs zu spüren kriegen. Sie könnten Angst haben, etwas zu verpassen. Manche ihrer Einwände sind sogar berechtigt (z. B. erreichbar zu sein, wenn sie alleine unterwegs sind).
Eltern, seid bereit, eure Beweggründe zu erklären. Wenn eure Teenager fragen: „Warum darf ich kein Smartphone haben?“, wollen sie wirklich nicht hören: „Weil ich es gesagt habe.“ Selbst wenn sie nicht zustimmen, werden sie euren Wunsch respektieren, mit ihnen vernünftig zu reden und ihnen zu zeigen, dass ihr die Entscheidung durchdacht habt.
Teilt eure Recherchen mit ihnen. Stellt ihnen andere Teenager vor (persönlich oder online), die ebenfalls kein Smartphone besitzen. Anstatt sie wie kleine Kinder zu behandeln (einfach „Nein“ zu sagen und weiterzugehen), sucht ein ehrliches, durchdachtes Gespräch. Lasst die Unterhaltung offen und seid bereit, die Mühen der Kommunikation auf euch zu nehmen, zum Wohl eurer Beziehung.
Reinke: Sehr gut. Und vielleicht können wir zum Abschluss noch fragen, was du direkt den Teenagern sagen würdest, die sich in dieser Situation befinden. Was sollten sie innerlich und im Umgang mit Gleichaltrigen erwarten?
Crowe: An die Teenager, die diesen gegenkulturellen Schritt wagen: Ihr seid Außenseiter in eurer Generation. Gehorsam im Leben bedeutet, jedes klebrige Gewicht abzulegen, das euch im Christ-Sein behindert (Hebräer 12:1). Ich kann euch nur ermutigen: Haltet fest. Darauf kommt es an. Haltet fest.
Jesus ist besser als ein Smartphone. Diesen Satz werdet ihr euch immer wieder ins Herz rufen müssen.
Und wenn ihr euch von Ausgrenzung und Isolation bedrückt fühlt, verzweifelt nicht. Eure Identität liegt nicht im Dazugehören oder im Erfüllen oberflächlicher Erwartungen. Sie liegt allein in Christus. Und er gibt euch eine Aufgabe: Seid treu. Jetzt bedeutet es vielleicht, euren Eltern zu gehorchen und ihnen zu vertrauen auch wenn das heißt, eine Zeit lang kein Smartphone zu besitzen.
Lauft nicht aus Scham vor dieser Realität davon; nehmt sie im Glauben an. Eure Freude liegt nicht in kultureller Vernetzung; sie liegt in der Einheit mit Christus. Also haltet fest und bleibt treu. Eure Belohnung kommt und sie ist weit größer als jeder Verlust, den ihr in diesem Leben spüren werdet.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Übersetzt von Ronny Käthler
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