In einem Kapitel über Beichte und Abendmahl in Gemeinsames Leben schreibt Dietrich Bonhoeffer
„Wer mit seiner Sünde allein bleibt, bleibt ganz allein. […] Aber es ist die Gnade des Evangeliums, die gerade den Frommen so schwer zu begreifen ist, dass sie uns mit der Wahrheit konfrontiert und sagt: Du bist ein Sünder, ein großer, verzweifelter Sünder; nun komm als der Sünder, der du bist, zu dem Gott, der dich liebt.“
Ich bin sicher, dass die meisten von uns mit Bonhoeffer darin übereinstimmen, dass das Bekenntnis der Sünde, das im Evangelium begründet ist, ein wesentlicher Bestandteil unserer persönlichen Spiritualität ist. Doch sobald es um das gemeinschaftliche Element des Bekennens geht, wird uns oft unbehaglich zumute. Es ist nicht allzu herausfordernd, im Rahmen eines Gottesdienstes im stillen Gebet seine Sünden zu bekennen, wenn die Liturgie dazu aufruft, aber wenn es um Bekenntnisse in Kleingruppen geht, begnügen wir uns häufig mit wenig eindeutigen Formulierungen wie „Ich kämpfe gerade mit …“ Selbst dann bleibt das nagende Gefühl, dass unsere vagen, kraftlosen Nicht-Bekenntnisse dem Aufruf aus Jakobus 5:16 nicht gerecht werden:
„Bekennt einander die Übertretungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet“
Drei Gründe, warum wir das Bekennen meiden
Unser Unvermögen, das gemeinschaftliche Element des Sündenbekenntnisses zu leben, hat mindestens drei mögliche Ursachen:
- Was werden die anderen denken?
Die erste Ursache ist die Trennung zwischen unserem sogenannten öffentlichen und privaten Leben. Wir fürchten, was andere über uns denken könnten, wenn sie unsere geheimen Gedanken, unsere unersättliche Gier (nicht nur im Hinblick auf Geld), unseren verurteilenden Geist oder unsere ständige Reizbarkeit kennen würden. Würden sie unsere Handlungen infrage stellen? Würden wir ihren Respekt verlieren? Die Weigerung, Sünde gegenüber anderen zu bekennen, ist im Kern ein Mangel an Integrität. - Wen fürchten wir eigentlich?
Diese Haltung steht in enger Verbindung zur zweiten Ursache – einer fehlgeleiteten Furcht. Tragischerweise fürchten wir oft mehr die Menschen, mit denen wir dieselbe Sünde teilen, als denjenigen, dessen Gegenwart von vollkommener Heiligkeit erfüllt ist. Er kennt alle Dimensionen unseres sündhaften Herzens – vollkommen klar, präzise und bis ins Innerste (Psalm 44:21–22; Sprüche 21:2; Lukas 16:14–15). Vor ihm können wir uns nicht verbergen (Jeremia 23:24). Ist es nicht ein Anflug von Wahnsinn, dass wir uns mehr vor denen fürchten, die uns lediglich beschämen könnten, als vor dem, vor dessen Angesicht wir eines Tages stehen werden und dessen Licht die geheimsten Winkel unseres Herzens offenbaren wird (Lukas 12:45; 8:17; Römer 14:10)? - Was ist eigentlich Beichte?
Die ersten beiden Ursachen hängen eng mit einer dritten zusammen – einem unzureichenden Verständnis davon, was Beichte ist und bewirkt. Sündenbekenntnis ist für Christen nicht optional. Johannes betont, dass ein Kennzeichen echter Gemeinschaft mit Gott nicht nur das Eingeständnis unserer sündhaften Natur ist (1. Johannes 1:8), sondern auch das entsprechende Bekennen (1. Johannes 1:9). Und wie wir bereits gesehen haben, wird sie auch im gemeinschaftlichen Leben erwartet – gemäß Jakobus 5:16.
Warum wir bekennen
Für Christen ist das Sündenbekenntnis letztlich eine Anwendung des Evangeliums. Echtes Bekenntnis ist eine Mischung aus demütigem Zerbruch vor Gott, gläubiger Aneignung der Versöhnungsgnade und aufrichtiger Dankbarkeit für das am Kreuz vollbrachte Sühnopfer Christi. „Der christliche Weg“, schreibt Martin Luther, „besteht im Wesentlichen darin, dass man sich als Sünder erkennt und um Gnade bittet“ (Großer Katechismus).
Das Bekennen unserer Sünden vor Gott bezeugt auch unser reales Bedürfnis nach seiner heiligenden Gnade – denn auch wenn wir eindeutig als Gottes Kinder abgesondert sind (1. Korinther 6:11), sündigen wir weiterhin (vgl. Kolosser 3:1–11). Darum gehört die Beichte zum Wesen echter Jüngerschaft. Deshalb sagt Bonhoeffer: „Beichte ist Jüngerschaft“ (S. 115).
Jesus lehrt uns, dass regelmäßiges Bekennen ein zentraler Bestandteil unserer Gemeinschaft mit Gott sein soll (Lukas 11:4), besonders im Rahmen des verborgenen Gebets (Matthäus 6:6). Die Schrift gibt uns zudem zahlreiche Vorbilder für aufrichtige Buße (z. B. Psalm 51 und 130). Durch Ermahnung (Jakobus 5:16) und Beispiel (Apostelgeschichte 5:1–11) warnt sie uns vor einer Verhärtung, die das Bekennen meidet (1. Johannes 1:8), oder vor einem tödlichen Stolz, der es zur Selbstdarstellung missbraucht (Matthäus 6:1–18; besonders Lukas 18:9–14). Vor allem aber erinnert uns die Schrift daran, dass Reinigung und Vergebung infolge echter Beichte nicht auf unser Tun, sondern auf die Vollkommenheit von Christi gebrochenem Leib und vergossenem Blut gegründet sind (1. Johannes 1:9–2:2).
Bekennen in der Gemeinschaft
Schließlich lehrt uns die Bibel auch die Bedeutung der Gemeinschaft im Umgang mit Sünde. Sündenbekenntnis im Beisein anderer ist eine gemeinsame Anwendung und Feier des Evangeliums. Wir sind geheiligte Sünder, die alle mehr Gnade zur Heiligkeit brauchen – und wir müssen uns daran gemeinsam erinnern. Johannes bringt das wunderschön zum Ausdruck:
„Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber jemand sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Er ist das Sühnopfer für unsere Sünden, aber nicht nur für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1. Johannes 2:1–2).
Das Bekenntnis untereinander feiert die Sühne unserer Sünde und das heiligende Wirken Gottes durch das Kreuz Christi (1. Johannes 1:9). Das Bekenntnis gegenüber einem Mitchristen bewahrt uns auch davor, uns selbst zu rechtfertigen, ohne echte Buße (2. Korinther 7:10). Bonhoeffer schreibt, dass Gott uns durch unseren Bruder die Gewissheit gibt, dass wir es mit dem lebendigen Gott zu tun haben (S. 116).
Wenn wir unsere Sünden einem anderen Christen bekennen, werden sie konkret – und ihre Hässlichkeit kann nicht mehr verborgen bleiben. Ob im stillen Gebet oder im Gespräch mit einem verständnisvollen Glaubensbruder: Bekennen ehrt Christus (Galater 6:2). „Es ist angemessen“, schreibt Johannes Calvin, „dass wir durch das Bekenntnis unserer eigenen Elends die Güte und Barmherzigkeit Gottes sichtbar machen – untereinander und vor der ganzen Welt“ (Institutio, III.IV.10).
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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