Wenige Themen rufen mehr Furcht und Zittern hervor als das Thema Suizid. Schon das Wort selbst erfüllt uns mit Traurigkeit und Herzschmerz. Darüber zu schreiben, scheint fast noch schwerer. An jeder Ecke lauern schwierige Fragen, an jeder Weggabelung empfindliche Gefühle. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Nichts hemmt seelsorgerliche Bemühungen von Laien mehr als die Angst, jemand könnte das Wort „Suizid“ aussprechen.
Doch wir dürfen unsere Angst und Trauer angesichts dieses dunklen und schweren Themas nicht davon abhalten lassen, einander nahe zu kommen. Deshalb müssen wir dieser schrecklichen Realität mit Klarheit, Mitgefühl und Überzeugung begegnen.
Wie sollten wir reagieren?
Wie reagieren wir auf jemanden, der mit Suizidgedanken ringt? Mit liebevollem Mitgefühl und einfühlsamer Ehrlichkeit. Die meisten Menschen reagieren mit blankem Entsetzen, wenn sie jemandem begegnen, der Selbstmord in Erwägung zieht. Sie reden, bevor sie zuhören, versuchen, die Person zum Schweigen zu bringen oder halten ihr eine Art „Das Leben ist lebenswert!“-Anspornrede. Doch was eine Person mit suizidalen Gedanken oft am dringendsten braucht, ist ein liebevolles Ohr – ohne ungläubige Reaktionen und ohne wohlmeinende, aber leere Versprechungen.
Nicht falsch verstehen: Wenn Suizid im Raum steht, muss man auch handeln. Doch zuerst kommt das ruhige Zuhören, ein mitfühlender Blick, eine tröstende Schulter – das sind die ersten Schritte, um Hoffnung in eine hoffnungslos scheinende Situation zu bringen.
Vielleicht wirkt es ungewöhnlich, vor einer Begriffsbestimmung schon über unsere Reaktion auf Suizid zu sprechen. Doch gerade wenn dieses Thema angesprochen wird, sollen Menschen in uns etwas erkennen: den Frieden, die Gnade, das Erbarmen, den Trost und die Zuversicht, die nur von denen ausgehen können, die fest auf dem Fundament des Kreuzes stehen.
Was ist Suizid?
Mit allem Mitgefühl müssen wir auch ehrlich sprechen: Was ist Suizid? Suizid ist die vorsätzliche Tötung des eigenen Körpers. Diese Definition ist hart – doch beide Elemente sind entscheidend.
Es ist das bewusste Beenden des eigenen Lebens. Man kann sich unbeabsichtigt selbst töten, zum Beispiel durch eine versehentliche Überdosis Drogen. Doch Suizid – wie auch Homizid – setzt Absicht voraus. Deshalb wurde Suizid früher auch als „Selbstmord“ bezeichnet. Dieses Wort mag für manche tief verletzend sein – und das ist verständlich. Doch das absichtliche Beenden des Lebens eines Ebenbildes Gottes – ob ungeboren oder hochbetagt, ob das eigene Leben oder das eines anderen – ist ein zutiefst tragischer Akt (2Mo 20:13).
Betroffen ist der physische Körper – nicht die unsterbliche Seele. In diesem Moment endet das Dasein nicht, sondern es verändert sich grundlegend. Paulus schreibt, dass für die, die in Christus sind, das Getrenntsein vom Leib bedeutet, beim Herrn zu sein (2Kor 5:8). Diese Wahrheit ist nicht nebensächlich, sondern gab Paulus tiefen Trost in seinem Dienst (Phil 1:18–26). Und Paulus war kein weltfremder Idealist – er kannte das Leid in all seiner Tiefe (2Kor 11:24–28; 12:7–10). Doch die Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes brachte ihn nicht dazu, seinem Leben ein Ende zu setzen – sie beflügelte ihn vielmehr, es ganz hinzugeben im Dienst am Evangelium und so ein lebendiges Abbild Christi zu sein.
Was ist die ewige Folge?
Damit kommen wir zu einer unglaublich schwierigen Frage: Wenn unsere Seele nach dem körperlichen Tod weiterexistiert – was geschieht dann mit der Seele derer, die diesen schrecklichen Schritt gehen? Die Antwort ist zugleich verblüffend einfach und erschütternd komplex.
Die Frage, mit der viele ringen, lautet: Ist Suizid eine „Todsünde“, also eine Sünde, die nicht vergeben werden kann? Bei einem so gewichtigen Thema muss unser Ausgangspunkt immer die Schrift sein. In Mt 12:32 und Mk 3:29 spricht Jesus von einer Sünde, der „Lästerung des Heiligen Geistes“, die tatsächlich nicht vergeben wird. Das ist eine zutiefst ernste und beunruhigende Wahrheit.
Was genau damit gemeint ist, darüber wird viel diskutiert. Meiner Überzeugung nach handelt es sich dabei um ein Leben in unbußfertigem Unglauben – ein Leben, das die Wahrheit über die Liebe des Vaters ablehnt, das Opfer des Sohnes verachtet und damit letztlich das Wirken des Heiligen Geistes verwirft. Suizid kann die Frucht eines solchen Lebens sein – muss es aber nicht. Viel entscheidender ist: Unsere Gewissheit – und die unserer Angehörigen – gründet sich nicht auf unser sündhaftes Handeln, sondern auf das vollkommene Handeln unseres sündlosen Retters. Wahrer Glaube bringt immer Frucht hervor, und der Suizid ist eine so tragische Tat, dass sie den Glauben eines Menschen ernsthaft infrage stellen kann (und vielleicht auch sollte?). Doch eine Wahrheit bleibt bestehen: Nicht einmal Suizid kann uns von der Liebe Christi trennen (Röm 8:38–39).
Wie gehen wir mit dieser Gewissheit um?
Wenn es also zutrifft, dass Suizid nicht zwangsläufig unter Gottes ewiges Gericht führt – wie gehen wir mit diesem Wissen um? Hier ist große Weisheit und Vorsicht geboten. Hören wir auf Martin Luther, der schrieb:
„Ich bin nicht der Meinung, dass Selbstmörder notwendigerweise verloren sind. Doch man soll ein solches Urteil nicht vor dem Volk verbreiten, denn dann gibt der Satan leicht Anlass, Menschen zum Selbstmord zu verführen.“
Mit Erkenntnis kommt Verantwortung. Es gibt Situationen, in denen die einzige Barriere, die eine Person davon abhält, sich das Leben zu nehmen, die Furcht ist, damit ihr Heil zu verlieren. In solchen Fällen ist es wichtig, diese Barrieren aufrechtzuerhalten, um das Leben zu schützen.
Doch auf lange Sicht gibt es nur ein Heilmittel gegen diese tiefgreifende Finsternis: das helle Licht von Gottes unerschütterlicher Gnade. Es braucht irgendwann ein klärendes, seelsorgerliches Gespräch, in dem die ganze Bandbreite von Gottes Liebe zur Sprache kommt – damit die betroffene Person ohne jeden Zweifel weiß: Diese Liebe schließt auch die ein, die Satan erfolgreich dazu verführt hat, ihr irdisches Leben zu beenden. Andernfalls berauben wir sie des Friedens, den nur das Kreuz von Golgatha schenken kann.
Das Gleichgewicht ist entscheidend. Das ist letztlich die Antwort darauf, wie wir mit einem so schweren Thema wie Suizid umgehen: mit Ausgewogenheit. Wir reagieren mit Mitgefühl, zeigen echte Anteilnahme und Liebe (Röm 12:15). Wir benennen ehrlich, dass es sich beim Suizid um eine schwere und tieftraurige Sünde handelt (5Mo 5:17). Wir verkünden klar unsere Hoffnung, dass nichts den guten Hirten dazu bringen kann, auch nur eines seiner Schafe zu verlieren (Joh 10:28). Und wir wenden das Evangelium mit Weisheit an, denn es gibt Zeitpunkte und Situationen, in denen die Wahrheit ihre ganze heilende Kraft entfalten kann – und andere, in denen Schweigen besser ist (Spr 26:4–5).
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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