Die Frage „Ist Selbstbefriedigen eine Sünde?“ beschäftigt viele Christen – besonders junge Gläubige, die mit dem Wunsch leben, Gott mit ihrem Körper zu ehren. Die Bibel spricht dieses Thema nicht direkt an, und unter evangelikalen Theologen gibt es unterschiedliche Sichtweisen. In diesem Beitrag stellen wir zwei Positionen vor, die sich beide auf biblische Prinzipien stützen, aber zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.
Sichtweise 1: Selbstbefriedigung ist immer Sünde
Diese Position wird von verschiedenen evangelikalen Autoren vertreten, unter anderem vom Theologen Jason DeRouchie. Die grundlegende Überzeugung ist: Selbstbefriedigung widerspricht dem von Gott geschaffenen Rahmen für Sexualität und ist deshalb grundsätzlich sündhaft – unabhängig von äußeren Umständen oder individuellen Empfindungen.
1.1 Sexuelle Lust gehört in die Ehe
Sexualität ist ein gutes und heiliges Geschenk Gottes – doch sie ist nicht zur beliebigen Nutzung bestimmt. Die Heilige Schrift macht deutlich, dass sexuelle Lust und deren Ausdruck ausschließlich in der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau ausgelebt werden sollen (vgl. Gen 2:24; 1Kor 7:2–5; Hebr 13:4). Der Höhepunkt sexueller Vereinigung – der Orgasmus – ist nach dieser Sicht nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern ein zutiefst geistliches Geschehen, das Bindung, Hingabe und gegenseitige Liebe zum Ausdruck bringt.
Masturbation hingegen ist eine einseitige, selbstbezogene Handlung, die keine echte Beziehung fördert. Sie entkoppelt die sexuelle Lust vom Bund der Ehe und führt so zu einem egoistischen Umgang mit einem von Gott gegebenen Gut. Aus dieser Sichtweise heraus ist jede Form sexuellen Ausdrucks außerhalb der Ehe – und somit auch Selbstbefriedigung – ein Verstoß gegen Gottes Ordnung und Zielsetzung für menschliche Sexualität.
1.2 Sexuelle Intimität als Bild für Christus und die Gemeinde
Ein zentrales theologisches Argument dieser Sichtweise liegt in der symbolischen Bedeutung der ehelichen Sexualität. In Epheser 5,31–32 beschreibt der Apostel Paulus die Verbindung von Mann und Frau als ein Abbild der Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde. Die sexuelle Vereinigung im Ehebund ist somit nicht nur ein physisches Ereignis, sondern ein Hinweis auf die geistliche Einheit, Treue und Hingabe zwischen dem Erlöser und seinem Volk.
Masturbation, die losgelöst von dieser verbindlichen, exklusiven Beziehung geschieht, verfehlt dieses geistliche Bild. Sie repräsentiert keine gegenseitige Hingabe, keine Einheit im Bund, sondern einen isolierten Akt, der dem tiefen Sinn der Sexualität – als Zeichen des Bundes – widerspricht. Damit entwürdigt Selbstbefriedigung nicht nur das Geschenk der Sexualität, sondern entstellt auch das geistliche Bild, das Gott durch die Ehe offenbaren will.
1.3 Sündige Begierde als Wurzel der Handlung
Ein weiteres zentrales Argument dieser Sichtweise ist die Annahme, dass Selbstbefriedigung in der Regel durch sündige Begierde motiviert ist. Jesus selbst warnt in der Bergpredigt: „Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“ (Mt 5:28). Die meisten Formen der Masturbation gehen mit sexuellen Fantasien, Bildern oder Gedanken einher, die in der Bibel als sündige Lust bezeichnet werden (vgl. Kol 3:5–6; Gal 5:19–21).
Diese Begierden sind nicht neutral, sondern gegen Gott gerichtet, weil sie sich auf einen „falschen Zeitpunkt“ oder ein „falsches Objekt“ sexueller Erfüllung beziehen. Sie stehen im Gegensatz zur Selbstbeherrschung, zu der Christen berufen sind (vgl. 1Thess 4:3–5). Aus dieser Perspektive ist Masturbation nicht einfach eine neutrale körperliche Reaktion, sondern eine Handlung, die aus einem Herzen kommt, das in diesem Moment nicht von der Liebe zu Gott, sondern von der Liebe zur eigenen Lust motiviert ist.
Sichtweise 2: Selbstbefriedigung ist nicht immer Sünde
Diese Sichtweise wird von mehreren evangelikalen Autoren vertreten, unter anderem neigt Wayne Grudem zu dieser Ansicht. Sie betonen: Die Bibel verbietet Selbstbefriedigung nicht ausdrücklich, weshalb man sie auch nicht pauschal als Sünde bezeichnen darf. Stattdessen ist zwischen der Handlung selbst und den begleitenden Gedanken oder Motiven zu unterscheiden. Diese Perspektive ruft zu biblischer Nüchternheit und pastoraler Sensibilität auf.
2.1 Biblisches Schweigen ist bedeutsam
Ein zentraler Punkt dieser Sichtweise ist die Achtung vor der Genügsamkeit der Schrift. Die Bibel schweigt – mit wenigen möglichen Ausnahmen wie 3Mose 15:16 – weitgehend zum Thema Masturbation. Dieses Schweigen wird als theologisch bedeutsam verstanden: Was Gott in seinem Wort nicht verbietet, dürfen wir nicht willkürlich verbieten (vgl. 5Mo 4:2; Offb 22:18–19).
Wer moralische Forderungen erhebt, wo die Bibel schweigt, läuft Gefahr, „zum Gesetzgeber“ zu werden – und Menschen Lasten aufzubürden, die Gott nicht auferlegt hat. Die Bibel spricht klar über Sünde in Bereichen wie Ehebruch, Pornografie, sexuelle Unreinheit und Begierde. Doch die bloße Handlung der Selbstbefriedigung wird darin nicht ausdrücklich als Sünde bezeichnet. Deshalb sei Zurückhaltung geboten.
2.2 Gefahr falscher Schuld und geistlicher Überforderung
Diese Sichtweise warnt eindringlich vor den geistlichen und seelsorgerlichen Schäden, die entstehen können, wenn Christen gelehrt wird, dass Masturbation grundsätzlich sündhaft sei. Besonders junge Gläubige, die ihre Sexualität entdecken und oft unter intensiver Versuchung stehen, erleben tiefe Schuldgefühle, wenn sie in diesem Punkt immer wieder „versagen“.
Wayne Grudem zitiert den bekannten Psychologen James Dobson, der davor warnt, aus Masturbation ein „absolutes Tabu“ zu machen. Wer in gutem Glauben tausendmal verspricht, nie wieder zu fallen – und es doch erneut tut –, kann leicht in Verzweiflung geraten: „Kann Gott mich überhaupt noch lieben?“ Diese unnötige geistliche Last könne sogar zum Abfall vom Glauben führen.
Die seelsorgerliche Konsequenz: Wo Gott keine absolute Forderung stellt, sollen wir keine moralische Absolutheit verlangen.
2.3 Lustvolle Gedanken bleiben sündhaft
Diese Sichtweise nimmt jedoch nicht jede Form von Selbstbefriedigung als harmlos oder unproblematisch wahr. Vielmehr wird klar betont: Wenn Masturbation mit bewusstem, lustvollem Fantasieren über andere Personen verbunden ist – sei es durch Bilder, Videos oder innere Vorstellungen –, dann ist dies eindeutig Sünde.
Jesus selbst sagt in Matthäus 5,28, dass das begehrliche Anschauen einer Frau bereits geistlicher Ehebruch ist. In solchen Fällen ist nicht die körperliche Handlung allein entscheidend, sondern die geistige und emotionale Ausrichtung. Wer sexuelle Fantasien kultiviert und sich in seiner Vorstellung in unkeusche Handlungen flüchtet, verstößt gegen Gottes Gebot der Reinheit – selbst dann, wenn er oder sie körperlich allein bleibt.
Daher gilt auch in dieser Sichtweise: Die Gedankenwelt entscheidet über die moralische Bewertung der Handlung.
2.4 Masturbation darf eheliche Sexualität nicht ersetzen
Schließlich betont diese Sichtweise auch die Bedeutung der ehelichen Intimität. 1Kor 7:3–5 macht klar, dass Ehepartner einander nicht sexuell entziehen sollen, um Versuchungen zu vermeiden. Die regelmäßige, liebevolle sexuelle Gemeinschaft ist ein Schutzwall gegen Versuchung.
Wenn Masturbation in der Ehe zur Gewohnheit wird und die eheliche Intimität ersetzt oder verdrängt, kann sie zur Quelle von Distanz, Einsamkeit oder sogar sexueller Isolation werden. Das widerspricht dem biblischen Bild der Ehe als Ort gegenseitiger Hingabe.
Allerdings wird auch hier nicht Masturbation an sich verurteilt, sondern nur dann, wenn sie die von Gott gewollte eheliche Gemeinschaft untergräbt oder zur Flucht vor echter Beziehung wird. Wichtig ist: Auch in der Ehe gibt es kein ausdrückliches biblisches Verbot von Selbstbefriedigung – doch sie darf nicht zum Ersatz für das gemeinsame Leben im Ehebund werden.
Fazit: Ist Selbstbefriedigung eine Sünde?
Ist Selbstbefriedigung eine Sünde? – Auf diese Frage gibt es innerhalb der evangelikalen Welt zwei unterschiedliche, biblisch begründete Antworten. Beide Sichtweisen nehmen die Heiligkeit sexueller Reinheit ernst, kommen jedoch zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber, ob Masturbation grundsätzlich sündhaft ist.
Zwei Sichtweisen – eine gemeinsame Grundlage
Die erste Sichtweise sagt klar: Ja, Selbstbefriedigung ist immer eine Sünde, weil sie den von Gott geschaffenen Rahmen sexueller Intimität – die Ehe – verlässt. Sie ist nach dieser Auffassung selbstzentriert, wurzelt in sündiger Begierde und verfehlt das geistliche Bild, das eheliche Sexualität von der Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde zeichnet.
Die zweite Sichtweise hingegen argumentiert: Nein, Selbstbefriedigung ist nicht immer eine Sünde, denn die Bibel verbietet sie nicht ausdrücklich. Entscheidend ist hier nicht die Handlung selbst, sondern das Herz dahinter. Wird sie von lustvollen Fantasien, Suchtverhalten oder dem Ersatz ehelicher Intimität begleitet, kann sie sündig sein. Ohne diese Begleiterscheinungen jedoch könne sie moralisch neutral bleiben.
Was bedeutet das für dich persönlich?
Auch wenn sich evangelikale Christen in der Beurteilung unterscheiden, ruft uns Gottes Wort in beiden Sichtweisen zu einem Leben in sexueller Reinheit, Selbstbeherrschung und Gottesfurcht. Die entscheidende Frage lautet daher nicht nur: „Ist Selbstbefriedigung eine Sünde?“, sondern auch: „Was offenbart meine Sexualität über meine Beziehung zu Gott?“
Gott ruft uns zur Heiligkeit – nicht aus Gesetzlichkeit, sondern aus Liebe. Deshalb ist jeder Christ herausgefordert, sein Gewissen an Gottes Wort zu schärfen, die Beweggründe des eigenen Herzens ehrlich zu prüfen und in der Gemeinschaft mit Christus zu wachsen. Die gute Nachricht ist: In Jesus Christus gibt es Vergebung, Reinigung und die Kraft zur Veränderung – auch im Bereich der Sexualität.
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