Christologische Kontroversen in der frühen Kirche

Christologische Kontroversen, Christus, Ikone

Einleitung

Als Jesus seine Jünger fragte, für wen sie ihn hielten, erklärte Petrus, dass er Jesus für den Christus, den Sohn Gottes, hält (Mt 16,15–16). Diese Aussage von Petrus spiegelt den Glauben der Gemeinde wider: Jesus ist sowohl göttlich als auch menschlich. Bis heute besteht in dieser zentralen Frage eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen römisch-katholischen, orthodoxen und protestantischen Kirchen. Ein tieferes Verständnis dieses biblischen Bekenntnisses zu Jesus Christus entwickelte sich insbesondere dann, als die frühe Kirche gezwungen war, auf falsche Lehren zu reagieren, die nicht mit dem „ein für alle Mal den Heiligen überlieferten Glauben“ (Jud 3) übereinstimmten.

Obwohl das Bekenntnis zu Christi Göttlichkeit und Menschsein ein grundlegendes Element des christlichen Glaubens ist, wurde die christologische Lehre erst in Auseinandersetzung mit verschiedenen Irrlehren weiterentwickelt, die von den ersten Tagen der Kirche an auftraten. Die Christologie der frühen Kirche lässt sich am besten als eine Bestätigung des apostolischen Zeugnisses sowie als eine Entfaltung der orthodoxen Lehre und Terminologie zusammenfassen. Die ersten Christen verkündeten Christus als Herrn auf Grundlage des biblischen Zeugnisses (der apostolischen Lehre), das sie in ihren Schriften, ihrer Anbetung und ihrem Zeugnis in der Welt bekräftigten.


Ebionismus und der Doketismus

Zu den frühesten christologischen Auseinandersetzungen in der Kirche gehören der Ebionismus und der Doketismus. Die Ebioniten, deren Anführer nach verschiedenen frühen Kirchenhistorikern Ebion gewesen sein soll (vgl. Irenäus, Adversus Haereses 1,26,1–2; 5,1,3; Eusebius, Kirchengeschichte 3,27,2), bildeten eine jüdische Gruppierung im späten ersten und frühen zweiten Jahrhundert. Sie hielten an der Autorität der hebräischen Bibel fest und betrachteten die Einhaltung des mosaischen Gesetzes als notwendig. Sie lehrten, dass Gott Jesus bei seiner Taufe als Sohn angenommen habe (Adoptionismus) und lehnten daher sowohl seine Präexistenz als auch seine jungfräuliche Empfängnis ab. Eine ähnliche Auffassung vertrat der falsche Lehrer Cerinthus (ca. 50–100 n. Chr.), der in Kleinasien lebte und von frühen Kirchenvätern als häretisch angesehen wurde (vgl. Irenäus, Adversus Haereses 1,26,1; Hippolyt von Rom, Widerlegung aller Häresien 7,21; Eusebius, Kirchengeschichte 3,28–35; 7,25,3). Laut diesen Quellen leugnete Cerinthus die jungfräuliche Geburt, betrachtete Jesus als einen gewöhnlichen Menschen mit außergewöhnlich viel Weisheit, und lehrte, dass er bei seiner Taufe vom Christus-Geist erfüllt wurde. Er schien viele Elemente einer gnostischen Kosmologie zu übernehmen, darunter die Vorstellung, dass die Welt von einem niederen Wesen geschaffen wurde, dass Jesus von einem zuvor unbekannten höchsten Gott sprach und dass das jüdische Gesetz von diesem niederen Wesen stammt.

Eine weitere frühe christologische Irrlehre war der Doketismus, der das biblische Zeugnis von der vollen Menschlichkeit Christi in Frage stellte. Der Apostel Johannes warnte vor diesem Irrtum und betonte, dass manche sich weigerten anzuerkennen, dass „Jesus Christus im Fleisch gekommen ist“ (1Joh 4,1–3). Auch Ignatius von Antiochien († 110) warnte vor dieser falschen Lehre, als er die Gemeinde in Ephesus ermahnte: „Hört auf niemanden, der nicht wahrheitsgemäß über Jesus Christus spricht“ (Ign. Eph. 6,2). Ignatius bekräftigte, dass Jesus „sowohl Fleisch als auch Geist war, geboren und ungeboren, Gott im Menschen, wahres Leben im Tod, sowohl von Maria als auch von Gott, zuerst leidensfähig, dann darüber erhaben“ (Ign. Eph. 7,2). Wäre Jesus nicht wirklich im Fleisch gelitten und gestorben, hätte es keinen Grund gegeben, für ihn zu leiden – so wie es die Apostel und Märtyrer taten.


Gnostizismus

Der Gnostizismus stellte eine große Herausforderung für das biblische Zeugnis über Jesus Christus dar. Der Gnostizismus war zwar von der platonischen Philosophie beeinflusst, enthielt jedoch auch viele Elemente jüdischer und christlicher Theologie. Ein zentraler Aspekt des Gnostizismus war der Versuch, biblische Inhalte mit einer komplexen Kosmologie zu verbinden. Schon im 2. Jahrhundert tauchten gnostische Schriften auf, die vorgaben, von Aposteln verfasst worden zu sein, wobei das bekannteste Werk wahrscheinlich das Evangelium des Thomas war. Weitere gnostische Texte, die biblische Namen trugen, versuchten auf verschiedene Weise, die gnostische Schöpfungslehre zu verbreiten und verwendeten dabei biblische Sprache. Die Gnostiker betonten oft, dass die materielle Welt schlecht sei und dass wahre Erlösung nur im rein geistigen Bereich zu finden sei. Für sie war Christus ein Erlöser, der Erkenntnis (Gnosis) über diese geistige Erlösung brachte, das nur einer kleinen, auserwählten Gruppe zugänglich war.

Zu den bekanntesten Vertretern des Gnostizismus in der frühen Kirche zählten Valentinus von Rom (ca. 2. Jahrhundert) und Marcion von Sinope (ca. Mitte des 2. Jahrhunderts). Marcion, ein Mitglied der römischen Kirche, vertrat die Auffassung, dass der Gott des Alten Testaments in Wirklichkeit der Demiurg (ein niedrigerer Gott) der gnostischen Kosmologie war – ein strafender und böser Gott, der auch die Welt erschaffen hatte. Im Gegensatz dazu sah Marcion den Gott des Neuen Testaments als einen liebevollen und geistlichen Gott, der Jesus gesandt habe, um den Weg der Liebe und des Friedens zu zeigen und die wahre Erlösung zu bringen. Marcion kürzte die Bibel radikal, indem er das Alte Testament vollständig ablehnte und nur die Teile des Neuen Testaments behielt, die nicht jüdisch klangen. Er wurde schließlich aus der Kirche Roms ausgeschlossen und gründete eine eigene Kirche, die eine Zeit lang weiterhin Bestand hatte.

Irenäus und Tertullian leisteten in ihrer Verteidigung der biblischen Christologie eine wichtige Arbeit gegen die marcionitische Häresie. Irenäus wandte sich gegen den Gnostizismus, indem er betonte, dass sowohl das Alte als auch das Neue Testament das Werk des einen wahren Gottes seien. Die menschlichen Autoren der Schriften seien durch den Heiligen Geist geführt worden und hätten daher keine Fehler gemacht. Für Irenäus war die Bibel ein harmonisches Ganzes. Er erklärte, dass alle Schriften, die uns von Gott gegeben wurden, in sich völlig konsistent seien und eine „harmonische Melodie“ darstellten, die den Gott lobte, der alles erschaffen hatte. Die Schriften mussten als Ganzes verstanden werden, um Gottes Werk der Erlösung zu begreifen. Das bloße Zusammenstellen einzelner Texte, um eine eigene Theologie zu stützen, könne keine „schöne Darstellung des Königs“ erzeugen, sondern nur eine verzerrte Vorstellung, wie die eines Hundes oder Fuchses. Im Gegensatz zu den Gnostikern, die Christus als ein himmlisches Wesen und Jesus als den irdischen Menschen betrachteten, erklärte Irenäus, dass „Jesus Christus der eine und derselbe ist“, eine Aussage, die später in die Chalcedonische Definition aufgenommen wurde.

Tertullian ging ebenfalls auf die Irrtümer Marcions ein, indem er aufzeigte, dass dieser die Bibel verfälschte, indem er nicht erkannte, dass Jesus Christus die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen sei. Tertullian nutzte das Lukas-Evangelium – das einzige Evangelium, das Marcion akzeptierte, wenn auch in bearbeiteter Form – und zeigte damit, wie Marcion Gott, Christus und die Schriften voneinander trennte.


Dynamischer und Modalistischer Monarchianismus

Die beiden Häresien des Monarchianismus tauchten im zweiten und dritten Jahrhundert auf, waren jedoch kein monolithisches System. Gemeinsamer Schwerpunkt war die Betonung der Einheit Gottes (griechisch: monarchia) auf Kosten der Personhaftigkeit Gottes. Obwohl es unter den monarchianischen Theologen Unterschiede gab, existierten zwei vorherrschende Formen: Adoptianismus und Modalismus.

Adoptianismus: Theodotus von Byzanz (ca. Ende des 2. Jahrhunderts), auch als „der Gerber“ oder „Schuhmacher“ bekannt, lehrte, dass der Vater und der Sohn unterschiedliche Wesen seien, aber dass Jesus, als außergewöhnlich tugendhafter Mensch, durch seine Taufe adoptiert wurde und dadurch der Sohn Gottes wurde. Der Begriff „dynamisch“ stammt vom griechischen dynamis (Kraft) und bezieht sich auf die Art und Weise, wie Jesus der Sohn Gottes wurde. Theodotus brachte seine Lehren nach Rom, wurde jedoch schnell exkommuniziert, obwohl seine Ansichten weiterhin durch andere in das dritte Jahrhundert hinein verbreitet wurden. Der bekannteste Vertreter des Adoptianismus war Paul von Samosata (ca. Mitte bis Ende des 3. Jahrhunderts).

Modalismus: Noetus von Smyrna (ca. Mitte bis Ende des 3. Jahrhunderts) und Sabellius von Rom (ca. Anfang bis Mitte des 3. Jahrhunderts) waren zwei führende Modalisten des 2. und 3. Jahrhunderts. Sie lehrten, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist keine verschiedenen Personen seien, sondern verschiedene Erscheinungsweisen oder Modi des einen Gottes. Diese Denker und ihre Anhänger wollten die Einheit Gottes und die Göttlichkeit Christi betonen, doch sie glaubten, dass die Unterscheidung zwischen Vater und Sohn zu einem Zweigötterglaube (Bi-Theismus) führen würde. Daher leugneten sie die einzigartige Rolle und Personhaftigkeit jedes Mitglieds der Gottheit, um die monarchia (Einheit) Gottes zu wahren. Der Sohn war für sie nur ein Erscheinungsmodus Gottes.

Tertullian leistete eine gründliche Verteidigung gegen diese falschen Lehren. Er fasste die Lehre eines Modalisten mit Namen Praxeas (ca. Mitte bis Ende des 3. Jahrhunderts) mit den Worten zusammen, dass dieser „den Parakleten in die Flucht schlug und den Vater gekreuzigt hat“ (Gegen Praxeas, 1). In seiner Antwort entwickelte Tertullian eine trinitarische Grammatik für die westliche Kirche. Nach Tertullian sind Vater, Sohn und Heiliger Geist drei Personen (personae), „nicht im Zustand, sondern im Grad, nicht in der Substanz, sondern in der Form, nicht in der Kraft, sondern im Aspekt; jedoch von einer Substanz, einem Zustand und einer Kraft“ (Gegen Praxeas, 2).


Arianismus

Im vierten Jahrhundert traten zahlreiche christologische Irrlehren auf, die eine umfassende Verteidigung durch christliche Führer erforderlich machten. Die erste bedeutende Häresie war der Arianismus. Arius (256–336), ein Presbyter in Alexandria, begann im Jahr 313 zu lehren, dass der Sohn erschaffen wurde und nicht der gleichwertige, ewige Sohn Gottes sei. Nach Arius und seinen Anhängern war Jesus ein erschaffenes Wesen, das ontologisch nicht gleich dem Vater war. Um diese Lehre zu verbreiten, schrieb er sogar Lieder, die seinen Glauben über Christus ausdrückten, wobei er erklärte: „Es gab eine Zeit, als er nicht war.“

Die Kirche beschäftigte sich mit diesem Fehler auf dem Konzil von Nicäa im Jahr 325, das vom Kaiser Konstantin (ca. 272–337) einberufen wurde. Sie erklärten, dass Jesus „gezeugt, nicht erschaffen“, „Licht vom Licht“, „wahrer Gott vom wahren Gott“ und „von einer Substanz (oder Wesen) mit dem Vater“ sei. Der Begriff homoousios (griechisch – homo: „gleich“, ousia: „Substanz“) wurde verwendet, um die wesensmäßige Beziehung zwischen Sohn und Vater zu beschreiben. Dieser Begriff stammt zwar nicht direkt aus der Schrift, wurde aber genutzt, um die biblische Beziehung, die in der Bibel offenbart wird, auszudrücken und die unbiblische Ansicht der Arianer zu verurteilen.

Nach der nicänischen Erklärung nahm der Arianismus viele Formen an, wobei viele Gruppen die Lehren des Arius beibehielten, allerdings versuchten, unanstößige Terminologien zu verwenden. Einige Gruppen bestätigten den Sohn als homoiousias (griechisch – „von ähnlicher Substanz“). Je nach dem wer grade Kaiser war, fanden der Arianismus und verwandte Lehren mehr oder weniger Unterstützung. Das erklärt, warum Kirchenführer, die die nicänische Orthodoxie energisch verteidigten, wie Athanasius von Alexandria, wiederholt in Ungnade fielen und dann wieder begünstigt wurden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte die Arianische Lehre die Kirche so weit durchdrungen, dass Hieronymus (ca. 347–420) später schrieb: „Die ganze Welt stöhnte und wunderte sich, Arianer zu sein.“


Apollinarianismus

Apollinaris von Laodicea († 390) vertrat die Ansicht, dass der Logos (das Wort) bei der Annahme der menschlichen Natur nur mit einem Körper verbunden wurde. Um den arianischen Fehler zu vermeiden und die Göttlichkeit Christi sowie die Einheit seiner Person zu betonen, leugnete er, dass Jesus eine menschliche Seele besaß. Die menschliche Seele wurde durch das göttliche Wort, den Logos, ersetzt. Mit anderen Worten, für Apollinaris war Jesus kein gewöhnlicher Mensch.

Gregor von Nazianz (329–390) griff diese Lehre auf und zog Analogien zur Häresie des Doketismus. Er erklärte, dass in dieser Vorstellung Christi Fleisch lediglich „ein Phantom und keine Realität“ sei (Brief 102). Wenn Jesus keine menschliche Seele besaß, also keinen menschlichen Geist oder Willen hatte, dann sei es nicht korrekt, Christus als Menschen zu bezeichnen. Gregor argumentierte weiter: „Wenn [Christus] eine Seele hat, aber ohne einen [menschlichen] Verstand, wie kann er dann ein Mensch sein? Denn der Mensch ist kein verstandloses Tier … Wie verhält sich das zu mir? Denn Gottheit, die nur mit Fleisch verbunden ist, ist nicht Mensch“ (Brief 101). Für Gregor bot der Apollinarismus nur eine unvollständige Erlösung, da der Erlöser nur teilweise ein Mensch war. Aus diesem Grund wurden die apollinarischen Ansichten beim Konzil von Konstantinopel (381) verurteilt, wobei die Kirchenführer die Deklarationen und die doktrinellen Formulierungen des Konzils von Nicäa über fünfzig Jahre zuvor bekräftigten.


Nestorianismus

Zu Beginn des fünften Jahrhunderts lehrte Nestorius von Konstantinopel (ca. 386–450), dass Jesus Christus in Wirklichkeit zwei verschiedene Personen war. Nestorius hatte Schwierigkeiten, den traditionellen Titel für Maria als Theotokos („Gottesgebärerin“) zu akzeptieren, da dies die menschlichen Eigenschaften Christi zu verleugnen schien. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es möglich sein sollte, dass Gott von einem Menschen geboren wurde oder dass Gott litt und starb. Daher postulierte der Nestorianismus, dass in Christus sowohl eine menschliche als auch eine göttliche Person existierten, aber dass jede Person unabhängig voneinander handelte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wirkte die göttliche Person, zu einem anderen Zeitpunkt die menschliche. Auf diese Weise versuchten die Nestorianer, mit den biblischen Texten umzugehen, die sowohl auf die göttlichen als auch auf die menschlichen Eigenschaften Christi hinwiesen.

Kyrill von Alexandria (375–444) ging auf den theologischen Fehler des Nestorianismus und dessen Auswirkungen ein. Er erklärte, dass in der Inkarnation „die zwei Naturen in einer wahren Vereinigung zusammengebracht werden, sodass es von beiden einen Christus und einen Sohn gibt“, wobei ihre jeweiligen Eigenschaften beibehalten werden (Vierter Brief von Kyrill an Nestorius). Nach Kyrill nahm der ewige Sohn Gottes eine menschliche Natur an und vereinigte sich persönlich sowohl mit dem menschlichen Körper als auch der Seele. Kyrills Lehren beeinflussten das Konzil von Ephesus im Jahr 431, das den Nestorianismus als häretisch verurteilte und somit die eine Person Christi bestätigte.


Eutchyianismus

Die Lehren des Mönchs Eutychus von Konstantinopel (ca. 380–ca. 456) führten den Eutchyianismus ein, der die zwei Naturen Christi zu einer einzigen vereinte. Der offizielle Begriff für diesen theologischen Irrtum war Monophysitismus. Eutychus glaubte, dass beide Naturen vor der Inkarnation existierten, nach der Geburt Christi aber nur noch eine Natur verbleiben würde. Die menschliche Natur, so Eutychus, sei nur ein äußerliches Erscheinungsbild, was an die Ansichten der Doketisten anknüpfe. Diese Natur unterscheide Jesus von anderen Menschen. Beim Konzil von Chalcedon im Jahr 451 bestätigten die versammelten Kirchenführer jedoch die Existenz von zwei Naturen Christi (griechisch: Henophysitismus oder Miaphysitismus), die „ohne Verwirrung, ohne Veränderung, ohne Teilung, ohne Trennung“ miteinander vereint seien. Obwohl dieses Konzil im östlichen Teil des Römischen Reiches stattfand, fasste Leo von Rom (ca. 400–461) die lateinische Tradition der Christologie in einem Werk zusammen (Tomus ad Flavianum). Dieses Dokument war auch Thema der Debatte in Chalcedon und als die anerkannte doktrinelle Formulierung für die Person Christi und seine zwei Naturen akzeptiert.


Christologie nach Chalcedon

Chalcedon stellte einen bedeutenden Schritt in der Definition der Christologie für die Kirche dar, löste jedoch nicht alle Spannungen. Ein strittiger Punkt war die Formulierung von Chalcedon, dass der Sohn eine menschliche Natur, aber keine menschliche Person angenommen habe. Diese Definition sollte dem Adoptionismus entgegenwirken und lehnte ab, dass Jesus als Mensch existiert hätte, ohne dass es eine Inkarnation gegeben hätte. Doch einige fragten sich, ob diese Bestätigung nicht den Nestorianismus legitimieren würde. Beim Zweiten Konzil von Konstantinopel (553), das von Kaiser Justinian I. einberufen wurde, um die chalcedonische Definition zu klären und die Kirchen zu vereinen, wurde der Henophysitismus als die präziseste Weise angenommen, um das Verhältnis der zwei Naturen Christi zu seiner einen Person zu beschreiben.

Die Bestätigung in Konstantinopel klärte mehrere Aspekte der Christologie: 1) Christus war persönlich, als Mensch, durch die Vereinigung der menschlichen Natur in der Person des ewigen Sohnes; 2) Die Inkarnation ist ein dynamischer Akt der Person des Sohnes, jedoch in einer dreifaltigen Beziehung und Handlung; 3) Die menschliche Natur Christi war die gleiche wie die eines jeden anderen Menschen in ihrem unversehrten Zustand, außer dass sie keine unabhängige persönliche Existenz hatte, die von dem Sohn getrennt war; 4) Der Sohn ist in der Lage, ein vollständig menschliches und göttliches Leben zu führen; 5) Das „Imago Dei“ (Gottes Bild) bildet die Grundlage des Henophysitismus.

Obwohl es immer Herausforderungen zur orthodoxen Christologie gegeben hat, verlässt sich die Kirche weiterhin auf die aus der Schrift abgeleitete Lehre von Christus, die in den frühen Jahrhunderten der Kirche ausgearbeitet wurde.


Überlegungen für evangelikale Christen

Christen heute haben viel zu bedenken und zu schätzen, wenn es um christologische Kontroversen geht, die in der frühen Kirche stattfanden.

  1. Erstens hat die Person und das Werk von Jesus Christus weitreichende Auswirkungen. Die frühe Kirche verteidigte die Lehre von Christus so leidenschaftlich, weil das Evangelium und das Heil selbst auf dem Spiel standen. Nur ein Erlöser, der sowohl wahrhaft Gott als auch wahrhaft Mensch ist, kann das Heil der Menschen sichern.
  2. Zweitens ist klare und eindeutige Sprache für die doktrinelle Diskussion und Formulierung notwendig. Das bedeutet nicht, dass wir alle Aspekte von Gottes Natur und seinem erlösenden Werk vollständig verstehen, aber es ist durchaus wichtig, dass wir klar denken und der Kirche bedeutungsvolle Sprache bieten. Dies betrifft alles, von der Lehre über den Gottesdienst bis hin zur Evangelisation und der persönlichen Jüngerschaft.
  3. Drittens sollten Christen in christologischen Fragen großzügig, aber standhaft bleiben. Wiederum, nicht alle Geheimnisse Christi können erfasst werden, aber wir sollten nicht nachgeben, wenn biblisch orthodoxe Lehren über die Person und das Werk Christi hinterfragt werden. Daher ist jedes andere Glaubenssystem, das einen Platz für Jesus bejaht, ihn aber nicht als voll Gott und voll Mensch gemäß der Schrift anerkennt, falsch.
  4. Schließlich sollten Christen durch Lehre, Gottesdienst und Jüngerschaftsarbeit lernen, was es bedeutet, über den Gott nachzudenken, von dem wir sprechen, und ihn treuer zu verehren – den Gott, der für uns Fleisch wurde, um uns von der Sünde zu retten und zu erlösen. Das Endziel der Christologie ist eine demütige Anbetung Gottes und eine Steigerung der Freude im Gläubigen.

Leseempfehlungen:

  • “Arius, Arianism”, Chalcedon, Council of,” “Ephesus, Council of,” “Nestorius/Nestorianism,” and “Nicaea, Council of,” Evangelical Dictionary of Theology, 3rd (Baker Academic, 2017).
  • Christopher A. Hall, Learning Theology with the Church Fathers (IVP Academic, 2002).
  • Justin Holcomb, Know the Heretics (Zondervan, 2014).
  • J. N.D. Kelly, Early Christian Doctrines, rev. ed. (HarperCollins, 1978).
  • Richard A. Norris, ed. The Christological Controversy (Sources of Early Christian Thought) (Fortress Press, 1980).
  • Jaroslav Pelikan, The Christian Tradition: A History of the Development of Doctrine, Vol. 1: The Emergence of the Catholic Tradition (100-600) (University of Chicago Press, 1975).
  • Robert Louis Wilken, The Spirit of Early Christian Thought: Seeking the Face of God (Yale University Press, 2005).

Hinweis zur Lizenz und Übersetzung:
Dies ist eine Übersetzung des Originalwerks von Coleman Ford. Die Veröffentlichung erfolgt unter der freien Lizenz CC BY-SA 4.0. Das bedeutet, dass der Text unter den gleichen Bedingungen weiterverwendet werden darf, sofern die ursprüngliche Quelle genannt und die Lizenz beibehalten wird. Die Veröffentlichung dieser Übersetzung bedeutet jedoch nicht, dass der Autor sie ausdrücklich billigt oder unterstützt.

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