Testimonium Flavianum: Neue Forschung bestätigt Echtheit eines lange umstrittenen Textes


Eine neue Monografie des Yale-Historikers Tom Schmidt revolutioniert die Sicht auf das Testimonium Flavianum – das bekannteste außerbiblische Zeugnis über Jesus Christus. Jahrzehntelang als christliche Fälschung verdächtigt, argumentiert Schmidt nun mit philologischer Präzision: „Der ganze Text stammt von Josephus selbst.“ Das Buch kann kostenlos als PDF heruntergeladen werden. [Hier klicken]


Seit fast zwei Jahrhunderten galt der sogenannte Testimonium Flavianum als problematisch. Der rund 90 Wörter umfassende Abschnitt aus den „Jüdischen Altertümern“ des jüdisch-römischen Historikers Flavius Josephus beschreibt Jesus von Nazareth erstaunlich positiv – zu positiv, meinten viele Forscher. Der Konsens: spätere christliche Schreiber hätten zentrale Formulierungen wie „er war der Christus“ eingefügt oder überarbeitet.

Doch Dr. Tom Schmidt, Historiker mit PhD von der Yale University, fordert in seinem neuen Buch ein radikales Umdenken: „Alle Belege deuten darauf hin, dass der Text ganz von Josephus stammt – ohne spätere christliche Überarbeitung.

Was steht im Testimonium Flavianum?

In Antiquitates Judaicae 18.3.3 (Abschnitt 63–64) schreibt Josephus u. a.:

„Zu dieser Zeit lebte Jesus, ein weiser Mann, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Denn er tat erstaunliche Werke […]. Er war der Christus. […] Und am dritten Tag erschien er ihnen wieder lebendig.“

(Übersetzung stark verkürzt und paraphrasiert.)

Diese Formulierungen sind für einen nichtchristlichen jüdischen Autor – Josephus war kein Christ – so ungewöhnlich, dass der Text seit dem 19. Jahrhundert als teilfingiert galt.

Warum frühere Forscher an Fälschung glaubten

Bereits im 19. Jahrhundert begannen Forscher wie Ernest Renan oder später Geza Vermes, die Passage für nicht authentisch zu halten. Zentrale Argumente waren:

  • Die Aussage „er war der Christus“ wirke wie ein christliches Bekenntnis, nicht wie ein Bericht.
  • Der Text sei sprachlich untypisch für Josephus.
  • Der Stil weiche von der üblichen neutralen Darstellung anderer religiöser Bewegungen ab.
  • Die Passage sei inhaltlich zu „theologisch“, etwa durch das „am dritten Tag“ und die Auferstehung.

Schmidt hält dagegen: All diese Einschätzungen beruhen auf einem oberflächlichen oder theologischen Vorverständnis, nicht auf philologisch-historischer Analyse .

Tom Schmidt hat mithilfe moderner digitaler Textkorpora eine umfassende sprachliche und stilistische Analyse des Testimoniums durchgeführt.

Sein zentrales Ergebnis:

„Nahezu jedes Wort und jede grammatische Konstruktion im Testimonium hat klare Parallelen im übrigen Werk von Josephus – sowohl in Sprachstil als auch im Bedeutungsfeld.“

Ein häufig genanntes Gegenargument früherer Forscher war die Beobachtung, dass im Testimonium ein sogenanntes „Hapax Legomenon“ vorkommt – also ein Wort, das Josephus sonst nirgends verwendet. Das galt lange als Indiz für spätere Fremdeinträge.

Schmidt entkräftet dieses Argument jedoch statistisch:
Josephus hat ein sehr großes Vokabular – er verwendet im Durchschnitt alle 87 Wörter ein solches einmaliges Wort.

Da das Testimonium rund 90 Wörter lang ist, ist es sogar zu erwarten, dass genau ein solches seltenes Wort darin vorkommt.

👉 Was früher als Argument gegen die Echtheit galt, erweist sich bei genauerer Analyse als Argument für die Authentizität.

Neutrale Sprache – keine christliche Überhöhung

Was für Laien wie ein „christliches Glaubensbekenntnis“ wirkt, ist laut Schmidt in Wirklichkeit eine neutrale oder sogar distanzierte Formulierung:

  • Das Wort „paradoxa“ für „Wunder“ (παράδοξα ἔργα) bedeutet nicht „göttliche Zeichen“, sondern „seltsame Werke“ – und wird von Josephus auch für falsche Propheten und Magier verwendet .
  • Die Aussage „er war der Christus“ erscheint in den ältesten Versionen (z. B. bei Hieronymus oder in der syrischen Überlieferung) als: „Er wurde für den Christus gehalten.“
    Dies weist auf eine ursprüngliche distanzierte Formulierung hin.
  • Die Wendung „am dritten Tag erschien er ihnen lebendig“ (triten hēmeran phainesthai) sei bei Josephus eine objektive Darstellungsweise fremden Glaubens, nicht eine Aussage über historische Faktizität.

Bekannte übliche Übersetzung:


And in this time there lived Jesus, a wise man, if indeed one ought to call him a man, for he was a doer of miraculous deeds, a teacher of men who receive truth with pleasure.

And he led many from among
the Jews and many from among the Greeks.

He was the Christ.

And, when Pilate had condemned him to the cross at the accusation of the frst men among us, those who at frst loved him did not cease to do so, for he appeared to them alive again on the third day given that the divine prophets had spoken such things and thousands of other wonderful things about him.

And up till now the tribe of the Christians, who were named from him, has not disappeared.

Neutrale Übersetzung nach Schmidt:1


And in this time there was a certain Jesus, a wise man, if indeed one ought to call him a man, for he was a doer of incredible deeds, a teacher of men who receive truisms with pleasure.

And he brought over many from among the Jews and many from among the Greeks.

He was [thought to be] the Christ.

And, when Pilate had condemned him to the cross at the accusation of the frst men among us, those who at frst were devoted to him did not cease to be so, for on the third day it seemed to them that he was alive again given that the divine prophets had spoken such things and thousands of other wonderful things about him.

And up till now the tribe of the Christians, who were named from him, has not disappeared.

Negative Übersetzung nach Schmidt:2


And in this time, there was a certain Jesus, a wise man, if indeed one ought to call him a man, for he was a doer of magical deeds, a teacher of men who take pleasure in truisms.

And he led astray many from among the Jews and many from among the Greeks.

He was thought to be the Christ.

And, when Pilate had condemned him to the cross at the accusation of the first men among us, those who at first were devoted to him did not cease to be so, for on the third day it seemed to them that he was alive again given that the divine prophets had spoken such things and thousands of other wonderful things about him.

And up till now the tribe of the Christians, who were named from him, has not disappeared.

Warum Josephus glaubwürdige Informationen hatte

Schmidt weist zudem nach, dass Josephus direkten Zugang zu Augenzeugen oder deren Umfeld hatte:

Es fällt auf, dass fast jedes Wort des Testimonium Flavianum Teil eines größeren Satzes ist, der sich auf einen ähnlichen oder identischen Satz im Werk des Josephus zurückführen lässt.3

Josephus selbst erwähnt in seinem autobiografischen Werk (Vita), dass er als junger Mann mit den führenden Priestern Jerusalems verkehrte. Diese Gruppe, die „Ersten“ (protoi), war laut Josephus genau jene, die Jesus an Pilatus übergaben.

Das bedeutet: Seine Informationen stammen aus erster oder zweiter Hand.

Historische und theologische Tragweite

Wenn Schmidts Argumentation zutrifft, ist das Testimonium Flavianum nicht nur echt, sondern ein einzigartiges außerbiblisches Zeugnis, das:

  • die Existenz Jesu bestätigt,
  • seine Hinrichtung unter Pilatus nennt,
  • die Jüngerschaft bezeugt,
  • und die früheste bekannte außerchristliche Bestätigung enthält, dass seine Anhänger an eine Auferstehung glaubten.

Fazit

Dr. Tom Schmidts Buch stellt einen Paradigmenwechsel in der Josephus-Forschung dar. Wo frühere Generationen vorschnell von christlicher Manipulation ausgingen, zeigt seine Arbeit: Die Wahrheit liegt oft im Detail der Sprache – und diese spricht klar für Josephus.

Für gläubige Christen ist dies keine Voraussetzung zum Glauben, aber eine ermutigende Bestätigung: Auch außerhalb der Bibel sprechen Quellen für die Historizität des biblischen Jesus.

Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie die Fachwelt auf Schmidts Thesen reagieren wird. Ob sich seine Argumente in der wissenschaftlichen Debatte dauerhaft durchsetzen, wird die zukünftige Forschung zeigen.

  1. Josephus and Jesus. T. C. Schmidt, Oxford University Press. © T. C. Schmidt 2025, S. 6 ↩︎
  2. ebd., S. 138 ↩︎
  3. ebd., S. 123 ↩︎

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