Gebet ist ein unverzichtbares Vorrecht für jeden Christen. Im Gebet haben wir das Ohr des Schöpfers des Universums selbst. Doch sehr oft fehlt uns die Motivation zum beten, und wenn wir beten, zeigen unsere Gebete die Sorgen unseres Lebens – die viel zu oft schamlos egoistisch und selbstzentriert sind und kaum Aufmerksamkeit für die großen Anliegen des Reiches Gottes zeigen.
Manchmal ist es nötig, wachgerüttelt zu werden “durch Erinnerung” (Römer 15:15; 2. Petr 1:13; 3:1). Um also unsere Herzen neu für das Vorrecht des Gebets zu erwecken, wollen wir über das Geheimnis, die Notwendigkeit und die Methode des Gebets nachdenken.
Das Geheimnis des Gebets
Wir missverstehen das Gebet oft, weil wir uns Gott durch das Prisma unserer eigenen Selbstwahrnehmung vorstellen. Wir stellen Fragen wie: Wenn Gott bereits bestimmt hat, was Er tun wird – warum sollten wir dann beten? Was für einen Unterschied kann Gebet überhaupt machen? Können wir mit unseren Gebeten Gottes Sinn ändern?
Wie auch immer wir diese Fragen letztlich beantworten, wir müssen zuerst verstehen, dass Gott seinen Sinn nicht ändert:
„Gott ist nicht ein Mensch, dass er lügt,
noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereuen würde.
Was er gesagt hat, sollte er es nicht tun?
Was er geredet hat, sollte er es nicht ausführen?“ (4. Mose 23:19; Schlachter2000)
Wie Jakobus 1:17 sagt, “es gibt keine Veränderungen oder Schatten infolge von Wechseln” in Gott.
In Johannes 11 haben wir ein Beispiel dafür, wie Gott der Vater das Gebet Gott des Sohnes erhört. Durch die Bitte Jesu hat Gott beschlossen, Lazarus auferstehen zu lassen (Verse 41–44). Vermutlich hätte der Vater Lazarus nicht auferweckt, wenn Jesus nicht dafür gebetet hätte. Gott hat also sowohl das Ziel (die Auferweckung des Lazarus) als auch die Mittel zu diesem Ziel (das Gebet seines Sohnes) vorherbestimmt.
In seiner Souveränität hat Gott beschlossen, Mittel zu gebrauchen, um seinen Willen auszuführen; wir würden die von Gott beabsichtigten Ziele nicht erreichen ohne die Mittel, die Er vorherbestimmt hat.
Der Apostel Johannes gibt uns in Offenbarung 7:9–10 einen Einblick in Gottes ewige Ziele oder Absichten:
“Nach diesem sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, bekleidet mit weißen Kleidern, und Palmzweigen waren in ihren Händen. Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Das Heil ist bei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und bei dem Lamm!” (Schlachter2000)
Wie überschneiden sich die Gebete des Volkes Gottes mit diesem Ziel? Wird Gott diese unzählbare Schar einfach so haben, unabhängig von allem anderen? Keineswegs! Sonst hätte Jesus seinen Nachfolgern nicht gesagt: „Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende!“ (Mt 9:38; Schlachter2000). Die Gebete des Volkes Gottes sind das Mittel, durch das Gott Diener beruft, die sein Wort verkünden, und Männer und Frauen, die dieses Wort von diesen Verkündern hören (Röm 10:17), sind das von Gott eingesetzte Mittel, um seinen von Ewigkeit her gefassten Plan zu erfüllen: sich ein Volk zu schaffen, das sein Eigentum ist.
Letztlich bleibt es ein Geheimnis, wie ein souveräner Gott die Gebete seines Volkes in seine Pläne einbezieht. Wir werden nicht alle Antworten auf all unsere Fragen zum Gebet haben – zumindest vorerst nicht. Aber wir können gewiss sein, dass wir einem unveränderlichen Gott dienen, der Mittel wie das Gebet für seine ewigen Absichten einsetzt.
Die Notwendigkeit des Gebets
Gebet ist auch eine absolute Notwendigkeit, schon allein deshalb, weil Jesus Christus selbst es als notwendig ansah. Am Anfang des Markus-Evangeliums lesen wir, dass Jesus „früh am Morgen, als es noch dunkel war, aufstand, hinausging an einen einsamen Ort und dort betete“ (Mk 1,35). Selbst für Christus war das Gebet so wichtig, dass er sich früh dafür Zeit nahm. Später, im Garten Gethsemane, hören wir, wie Jesus betet, dass der Kelch des Zornes Gottes an ihm vorübergehen möge (Mt 26:39; Mk 14:36; Lk 22:42) – und doch wusste Jesus ganz genau, „dass er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten, den obersten Priestern und Schriftgelehrten, und getötet werden […] müsse“ (Mt 16:21; Schlachter2000). Trotzdem betete er. Auch wenn es für uns ein seltsames Geheimnis sein mag – der Sohn Gottes glaubte fest an die absolute Notwendigkeit des Gebets zu seinem Vater.
Es kann doch unmöglich so sein, dass das Gebet für Jesus eine Notwendigkeit war und für uns nur eine unerforschte Option.
Der Hebräerbrief fasst Jesu Haltung zum Gebet für uns perfekt zusammen: „Dieser hat in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als auch Flehen mit lautem Rufen und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte, und ist auch erhört worden um seiner Gottesfurcht willen“ (Hebr 5:7; Schlachter2000). Es kann doch unmöglich so sein, dass das Gebet für Jesus eine Notwendigkeit war und für uns nur eine unerforschte Option. Tatsächlich lesen wir im Hebräerbrief auch, dass „ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott ihm wohlzugefallen“ (Hebr 11:6; Schlachter2000) – und unsere Gebete sind ein wesentlicher Ausdruck eines solchen rettenden Glaubens.
Die Methode des Gebets
Wenn das Gebet so wichtig ist, wie sollen wir dann an diesem Vorrecht teilhaben? Obwohl die ganze Bibel unser Gebetsleben leiten sollte, wäre es vergeblich, zu versuchen, alles, was die Schrift uns über das Gebet lehrt, hier auf diesem begrenzten Platz zusammenzufassen. Wir können jedoch einen Vers ins Auge fassen, Epheser 6:18, der voller Weisheit über das Gebet ist.
Betet „zu jeder Zeit“
Zunächst fordert Epheser 6:18 uns auf, „zu jeder Zeit“ zu beten. Zu wenige von uns erkennen, welch ein erstaunliches Vorrecht es ist, zum lebendigen Gott, dem Schöpfer der Enden der Erde, zu kommen und ihn für uns selbst, für unsere Brüder und Schwestern und für unsere Gemeinden zu suchen, wann immer wir wollen.
Dabei sollten wir nicht denken, dass Paulus meint, wir sollten jede Stunde eine formelle Gebetszeit abhalten. Aber weil es im geistlichen Kampf um uns herum keine Pausen gibt, sollten wir bereit sein, jederzeit Gebete zu sprechen – so kurz oder leise sie auch sein mögen.
Betet „im Geist“
Epheser 6:18 sagt auch, wir sollen „im Geist“ beten. Das ist nicht eine von vielen möglichen Gebetsweisen, sondern die einzige Weise zu beten.
Einige wollen diesen Vers mit 1. Korinther 12 und dem Reden in Zungen in Verbindung bringen, aber das ist wohl kaum Paulus’ Absicht. Paulus erklärt uns, was er meint, in Römer 8:15–16 (Schlachter2000):
„Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“
Gott hat uns seinen Geist gegeben, und durch diesen Geist rufen wir zu Ihm, auch – oder vielleicht gerade – in unserer Schwachheit. „Im Geist“ zu beten bedeutet also nicht notwendigerweise ein ekstatisches Erlebnis. Vielmehr bedeutet es, sich auf die Hilfe des Geistes zu verlassen, der uns anspornt und leitet..
Betet „mit allen Arten von Gebet und Flehen“
Die NBH übersetzt die nächste Phrase in Epheser 6:18 mit „mit jeder Art von Gebeten und Bitten“. Vielleicht kennst du das [englische] Akronym ACTS – ein hilfreiches Gedächtnishilfsmittel, um sich an verschiedene Arten des Gebets zu erinnern:
- A – Anbetung (Adoration): Manchmal kommen wir zu Gott und bestaunen einfach seine Größe. “Meine Seele rühme sich des Herrn; die Elenden sollen es hören und sich freuen!“ (Ps 34:3; Schlachter2000). Gott ist unserer Anbetung würdig.
- C – Bekenntnis (Confession): Im Gebet erkennen wir auch, dass, wie Luther sagte, Buße nicht nur durch konkrete Sünden ausgelöst wird, sondern eine tägliche Erfahrung ist.1 „Ich bin ein Mann mit unreinen Lippen“, bekennen wir vielleicht mit Jesaja, „und wohne unter einem Volk, das unreine Lippen hat“ (Jes 6:5; Schlachter2000). Gott ist unserem Bekenntnis würdig.
- T – Danksagung (Thanksgiving): Der wahre Test für unsere Herzen ist, was wir tun, sagen und beten, wenn es scheinbar nicht viel gibt, wofür wir dankbar sein können. Doch Paulus ermahnt uns: „Seid in allem dankbar“ (1. Thess 5:18; Schlachter2000, Hervorhebung hinzugefügt). Gott ist unserer Danksagung würdig.
- S – Fürbitte (Supplication): Es ist auch richtig, unsere Bedürfnisse vor unseren himmlischen Vater zu bringen, von dem „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt“ (Jak 1:17; Schlachter2000). Wir bitten, suchen und klopfen an (Mt 7:7), manchmal für große, manchmal für kleine Dinge. Was auch immer wir erbitten, Gott ist unserer Fürbitte würdig.
Aber selbst wenn wir unter all den Möglichkeiten keine Worte finden, es gibt keinen Grund zur Verzweiflung. Welche Gebete wir auch hervorbringen – oder eben nicht –, „der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen“ (Röm 8:26; Schlachter2000).
Betet „mit allem Ausharren“
Epheser 6:18 sagt auch, dass wir „mit allem Ausharren“ beten sollen. Das erinnert an Jesu Worte aus Gethsemane: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt“ (Mt 26:41; Mk 14:38; Schlachter2000). Paulus sagte Ähnliches zu den Ältesten in Ephesus: „Darum wacht“ (Apg 20:31; Schlachter2000). Sinclair Ferguson schreibt so treffend: „Christus baut seine Gemeinde auf einem Gebiet, das zuvor vom Feind besetzt war. Wachsamkeit ist immer nötig, wenn man in einem Kriegsgebiet lebt.“2²
Ähnlich wie beim Versuch, ein vernünftiges Trainingsprogramm oder eine Diät einzuhalten, sind wir auch deshalb versucht, aufzuhören oder aufzugeben, weil wir keine unmittelbare Reaktion sehen. In einer Welt, die sofortige Befriedigung verherrlicht, ist das eine echte Herausforderung. Doch egal, in welcher Epoche wir leben, unsere Neigung zur Ungeduld ist der Grund, warum Jesus das Gleichnis von der beharrlichen Witwe erzählte. Wir sollen allezeit beten und nicht nachlassen (nach Lk 18:1; Schlachter2000). Wir beten, und dann beten wir weiter.
Einige von uns werden sich damit begnügen müssen, darauf zu vertrauen, dass Gott seine Bundesverheißungen tatsächlich erfüllen wird, und dass wir, sollten wir diesseits der Ewigkeit nicht alle Verheißungen erfüllt sehen, auf der anderen Seite erkennen werden, dass der Gott, der uns liebt, der Gott, der regiert, der Gott, dessen Plan vollkommen ist, geliefert hat.
Betet „für alle Heiligen“
Schließlich fordert Epheser 6:18 uns auf, „für alle Heiligen“ zu beten. Es ist natürlich und vollkommen legitim, für unsere eigenen Anliegen zu beten, tatsächlich fordert uns die Bibel sogar dazu auf! (vgl. Phil 4:6). Aber wenn wir unsere Gebete auf unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche beschränken, dann beten wir im Grunde wie ein Nicht-Christ: als wäre Gott ein göttlicher Geldautomat, bei dem wir bekommen, was wir wollen, wenn wir nur die richtigen Knöpfe drücken. Es ist völlig ichbezogen.
Wenn wir unsere Gebete auf unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche beschränken, dann beten wir im Grunde wie ein Nicht-Christ: als wäre es ein göttlicher Geldautomat, bei dem man bekommt, was man will, wenn man es nur richtig anstellt.
Stattdessen ruft Paulus uns auf, über uns selbst hinaus auf die Bedürfnisse aller Heiligen zu blicken. Ob wir also für unsere Familien, Freunde, Gemeinden, Gemeinschaften oder sogar für Menschen auf der anderen Seite der Welt beten, wir müssen unsere Fürbitten auf viele andere ausweiten.
Betet weiter in Jesu Namen
Derek Prime schrieb: „Wie mein Puls ein Hauptindikator für mein körperliches Leben ist, so ist mein Gebetsleben eines der wichtigsten Zeugnisse meines geistlichen Lebens.“3 Unsere eigentliche Stellung als Christen zeigt sich im Wesen unseres Gebetslebens. Zu schnell vergessen wir, welch ein Vorrecht es ist, im Namen Jesu zum Thron Gottes zu kommen. Wir könnten niemals in unserem eigenen Namen zu Gott gehen. Wir könnten nicht aufgrund unserer eigenen Verdienste vor Gott treten. Nein, wir kommen in Jesu Namen – und das ist ein gewaltiges Vorrecht. Wir kommen mit unseren Lasten, unseren Ängsten, unserem Versagen, unseren Erwartungen, unseren Hoffnungen und Träumen. Keine Bitte ist für unseren Gott zu groß.
Während du also durch einen weiteren Alltag gehst, mit all den Gelegenheiten zu Lob, Bekenntnis, Dank und Bitte,versuche, mit folgenden Worten zu beten:
„Vater, durch den Heiligen Geist, im Namen deines geliebten Sohnes, bitte ich dich: Würdest du mir gute Gaben geben? Würdest du deinen Geist über mich ausgießen? Würdest du deinen Geist über deine Gemeinde ausgießen? Würdest du das Gebet der Nachfolger Jesu erhören, wenn wir es zu unserem eigenen machen: ‚Herr, lehre uns beten‘?“ (Lk 11:1)
Dieser Artikel ist eine Bearbeitung der Predigten „Prayer“ und „All Prayer“ von Alistair Begg.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Truth For Life. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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