Knapp zweieinhalb Jahrhunderte lebten Christen nun schon im Römischen Reich. Immer wieder waren sie Verfolgungen ausgesetzt. Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. waren dies aber „nur“ regionale Unterdrückungsmaßnahmen, welche nicht flächendeckend vorkamen und auch von Ruhephasen unterbrochen wurden. Mit Kaiser Decius (249-251) sollte sich dies ändern: Es brachen Verfolgungen aus, die alle Christen im gesamten Römischen Reich treffen sollten.
Christen im Römischen Reich
Die Christen im Römischen Reich sahen sich schon früh auf verschiedenen Ebenen Bedrohungen ausgesetzt. Es gab intellektuelle Angriffe, da der neue Glaube den paganen (anderes Wort für „heidnisch“) Menschen fremdartig vorkam und das Wohlergehen der Gesellschaft nach ihrem Glauben von der kultischen Verehrung der (römischen) Götter abhing. Dadurch kam es auch vermehrt zu tätlichen Ausschreitungen vonseiten der einfachen Bevölkerung.
Zur ersten Verfolgung kam es unter Kaiser Nero, der den Verdacht der Brandstiftung in Rom von sich ablenken wollte. Während wir für die Zeit mancher Kaiser weniger Zeugnisse von Maßnahmen gegen Christen haben (z.B. Domitian, Hadrian, Antoninus Pius), häufen sie sich für die Zeit anderer Kaiser (z.B. Trajan, Marc Aurel). Dennoch kann man die Situation für Christen generell als prekär bezeichnen, auch wenn es längere Ruhephasen gab. Unter Philippus Arabs, laut dem Kirchenhistoriker Eusebius (3./4. Jahrhundert) möglicherweise der erste christliche Kaiser[1], wurden die Zeiten für Christen ruhiger. Nach ihm sollte jedoch Decius (249-251) seine Herrschaft antreten, unter dem es zu dramatischen Verfolgungen kam, ebenso unter seinem zweiten Nachfolger Valerian (253-260).
Quellen
Eine sehr relevante Quelle für die Verfolgungen im Regierungsjahrzehnt von Decius bis Valerian ist Cyprian, der Bischof von Karthago. Als Zeitgenosse, der selber unter den Verfolgungen litt, hat er uns wesentliche Informationen über sie in seinen Schriften überliefert. Hier zu nennen wären die epistulae (Briefe; Briefkorrespondenz mit anderen Christen) und seine Schrift De Lapsis (Über die Abgefallenen; Thematisierung, wie man mit Christen umgehen sollte, die ihren Glauben während der Verfolgung verleugnet haben). Der Märtyrerbericht acta proconsularia cypriani, dessen Autor unbekannt ist, berichtet über zwei Gerichtsverhandlungen und den Tod Cyprians.

Cyprians von Karthago
Der schon erwähnte Theologe und Geschichtsschreiber Eusebius bietet mit seiner Historia Ecclesiastica (Kirchengeschichte) weitere Informationen zur Thematik. Zum einen berichtet er über die Martyrien des römischen Bischofs und derjenigen aus Jerusalem und Antiochien; Cyprians Leiden werden caber auch geschildert. Zum anderen zitiert Eusebius auch Briefe des Dionysios, des Bischofs von Alexandrien, der ein Zeitzeuge der Verfolgungen war und in einem Brief auf diese eingeht.
Weitere Quellen sind die Passio Pionii (Märtyrerbericht über Pionius) und die sogenannten Libelli, welche von den römischen Behörden zur Bescheinigung einer vollzogenen Opferung für die paganen Götter ausgestellt wurden und somit als einzige nichtchristliche Quelle Aufschluss über die decischen Verfolgungen bieten.[2]
Motive der Christenverfolgungen
Decius
Decius stellte ein reichsweites Edikt, also einen Erlass aus, dass für die römischen Götter geopfert werden solle. Die Christen (und die Juden), welche nur einen Gott anbeteten, kamen somit in innerliche Bedrängnis. Sollten sie sich weigern zu opfern und somit hingerichtet werden, um ihren Glauben nicht zu verraten, oder eine Opferung in Kauf nehmen, um unversehrt davonzukommen?
Frühere Generationen von Forschern waren der Ansicht, dass sich dieses Edikt explizit an Christen wandte. Jedoch gibt es unter den Libelli auch einen, auf dem einer paganen Priesterin die Opferung bescheinigt wird. Deshalb wird heute angenommen, dass jeder der Bewohner des Römischen Reichs zu opfern hatte. Aber was sollte dann die Motivation von Decius gewesen sein, das Opferedikt zu erlassen? Alle Meinungen von Forschern decken sich in der Begründung, dass dieses Edikt dazu da war, dem Kaiser, dem Reich und den Göttern Loyalität zu erweisen, wobei Letztere für das Wohl des Kaisers und des Reiches verantwortlich waren. Ob es für Decius bzw. das Reich konkrete Schwierigkeiten gab, ist umstritten.
Valerian
Während Valerians ersten Regierungsjahren ging es der christlichen Kirche besser, was sich auch daran zeigte, dass es einige Christen am kaiserlichen Hof gab. Doch das änderte sich ziemlich schnell, was Dionysos von Alexandrien auf Fulvius Macrianus, den obersten Kämmerer des Kaisers, zurückführte. Dieser habe Valerian davon überzeugt, zauberische Handlungen zu tätigen, wobei es auch zu Kindstötungen dabei gekommen sei. Christen hätten sich demgegenüber gestellt, sodass sich Valerians Missmut an diesen ausgelassen hätte.
Das erste das ganze Reich betreffende Edikt von August 257 war gegen die Menschen gerichtet, die die Römische Religion nicht praktizierten, also gegen Juden und Christen. Es verbot Versammlungen und untersagte den Christen das Betreten der Friedhöfe. In erster Linie waren die christlichen Würdenträger wie Priester oder Bischöfe im Fokus, wobei Letzteren das Exil drohte.
Nachdem diese vergleichsweise „milden“ Maßnahmen keinen richtigen Erfolg brachten, wurde im August 258 ein drastischeres Edikt erlassen:
„Bischöfe, Priester und Diakone, die an ihrem Glauben festhielten, sollten sofort hingerichtet werden. Das Eigentum hoher christlicher Mitglieder der Gesellschaft wie Senatoren und Ritter war zu konfiszieren. Bei hartnäckigem Festhalten am Christentum drohte auch ihnen die Todesstrafe. Hoch gestellte Frauen wurden in die Verbannung geschickt, ihr Eigentum fiel ebenfalls an den Fiskus. Christliche Mitglieder des kaiserlichen Hofes (caesariani) wurden als Sklaven auf die kaiserlichen Ländereien verbracht.“[3]
Valerian ging also gezielt gegen die Christen vor. Er setzte bei den Leitungspersonen mit rigiden Strafmaßnahmen an, um durch deren Durchsetzung – so war zumindest die Hoffnung – auch die einfachen Christen in die religiösen Bräuche der Römer zurückzuführen. Das Ziel war also, dass alle Menschen im Reich an einem gemeinsamen Kult teilhaben sollten. Auffällig sind die gesteigerte Konsequenz und die vehemente Brutalität im Strafvollzug. Naheliegend ist es, die valerianische Christenpolitik als rigorosere und konsequentere Fortsetzung der decischen Politik zu verstehen.
Ein Opfer für die Götter
Prinzipiell kann man sagen, dass die Menschen bzw. Christen dazu aufgefordert wurden, ein Opfer für die römischen Götter darzubringen. Wer dies tat, wurde normalerweise freigelassen, wer der Aufforderung aber nicht nachkam, musste mit Strafen bis zur Hinrichtung rechnen.
Für die Zeit der Verfolgungen unter Decius gibt die Passio Pionii ein authentisches Zeugnis über das Verhalten der Behörden im Rahmen des Opferediktes. Pionius und einige Begleiter wurden in Smyrna in das Haus des Polemon gebracht, der sowohl für den lokalen Tempel als auch für die Durchführung der Opfer zuständig war. Die Drei sollten ein Opfer für die Götter darbringen, was sie aber ablehnten. Weder der Druck der aufgebrachten Menschenmenge, noch gutes Zureden und die Androhung der Todesstrafe konnten sie davon überzeugen. Polemon wurde wütend und führte Pionius vor den Prokonsul mit dem Befehl, dem Götterkönig Zeus zu opfern. Nach erneuter Ablehnung ließ der Prokonsul ihn foltern, um ihn doch noch zum Opfern zu bewegen. Schließlich starb Pionius auf dem Scheiterhaufen seinen Märtyrertod.[4]
Dionysos von Alexandria und einige Glaubensbrüder wurden während der valerianischen Verfolgung vom Statthalter Ämilianus aufgefordert, sich „an das Naturgemäße zu halten und die Götter anzubeten, die ihr Reich behüten, dem Naturwidrigen aber zu entsagen“[5]. Dionysos antwortete ihm darauf, dass sie als Christen nur einen Gott und keine anderen Götter anbeten, worauf er in die Verbannung geschickt wurde.[6]

von Alexandrien (18./19. Jh.)
Cyprian von Karthago wurde nach dem zweiten valerianischen Edikt vom Prokonsul Maximus der Gotteslästerung bezichtigt. Der Bischof verweigerte zweimal eine Opferung für die Götter. Danach habe Maximus „mit Widerwillen“ das Urteil gesprochen, Cyprian mit dem Schwert umzubringen. Die Begründung des Urteils ist aufschlussreich und soll deswegen an dieser Stelle zitiert werden:
„Du […] hast dich zum Feinde der römischen Götter und der heiligen Gesetze gemacht; auch haben dich die frommen und geheiligten Fürsten, die Kaiser Valerianus und Gallienus und der erlauchte Cäsar Galerianus nicht zur Gemeinschaft ihrer Religionsgebräuche zurückführen können. Darum sollst du, nachdem du als der Urheber und Bannerträger der gemeinsten Verbrechen gefaßt worden bist, denen zum warnenden Beispiele werden, die du in deine Freveltat hineingezogen hast; dein Blut soll die Weihe für das Gesetz sein.“[7]
Bekenner und Abgefallene
Bei beiden Verfolgungswellen mussten sich Christen entscheiden, ob sie den Opferungen nachkommen wollten oder nicht. Die Bekenner, welche weiterhin Jesus Christus als ihren alleinigen Gott bezeugten, wurden in den meisten Fällen zu Märtyrern. Auffällig ist, dass es keine einheitlichen Regelungen gab, sondern die Strafen und auch das Strafmaß unterschiedlich ausfielen. In der Briefkorrespondenz Cyprians und bei Dionysios lassen sich Zeugnisse finden für Christen, die in Gefängnissen eingesperrt waren, die aus der Heimat verbannt wurden, die zur Zwangsarbeit verpflichtet waren und die für ihren Glauben als Märtyrer starben. Vielen wurde schwere Folter auferlegt, um sie zum Opfern zu bringen. So wurden manche zuerst gegeißelt, anschließend gesteinigt oder verbrannt. Manche fanden auch einen „humaneren“ Tod durch das Schwert.[8]
Cyprian und Dionysos bekamen beide die Möglichkeit, den römischen Göttern zu opfern. Nach ihrer Weigerung wurden sie mit der Verbannung belegt, Cyprian sogar nach dem zweiten Edikt des Valerian zum Tod verurteilt. Allerdings wurde die Überwachung von Dionys ziemlich lasch gehandhabt, sodass dieser an seinem Verbannungsort missionarisch tätig werden konnte.[9]
Auch die Gewährung von manchen Freiheiten wie die Briefkorrespondenz zu Gefängnisinsassen, der Empfang von Besuch im Gefängnis oder die Beerdigung der Hingerichteten konnten das Leid der Christen in dieser Zeit nur minimal lindern.
Fazit und Ausblick
Das Jahrzehnt der Regierungen unter Decius und Valerian war eine schwierige und herausfordernde Zeit für die Christen. Decius wollte die Reichsbewohner durch ein reichsweites Edikt zur Loyalität gegenüber den Göttern aufrufen. Lediglich viele Christen versagten ihnen Gehorsam. Daran anknüpfend, ging Valerian gezielt und energisch gegen die Christen vor, um diese zum Götterkult zurückzuführen. Aus römischer Sicht sollten die Christen eben auch den alten Göttern huldigen, während die Christen dies als einen Angriff auf ihren Glauben ansahen. Auch wenn die christliche Kirche eine krisenhafte Zeit mit vielen Verlusten erlitt, blieb sie weiterhin bestehen, um im Folgenden, in ihrer Identität gestärkt, immer mehr Einfluss zu üben:
„Dieses kleine Stück Kirchengeschichte, das durch die valerianische Christengesetzgebung manifest wurde, war in seiner Entstehung ein Akt der Verfolgung und Unterdrückung, im Blick auf die Folgen jedoch ein Vorbote jener „siegreichen Kirche“, die i.J. 311 durch das Toleranzedikt des Galerius angekündigt und ein Jahr später durch Constantins Hinwendung zum Christenglauben endgültig errichtet wurde.“[10]
[1] Vgl. Eusebius, Kirchengeschichte 6, 34.
[2] Letztere sind hier einzusehen: Bludau, Augustinus: Die ägyptischen Libelli und die Christenverfolgung des Kaisers Decius (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte, 27), Freiburg im Breisgau 1931.
[3] Kinzig, Wolfram: Christenverfolgung in der Antike, München 2019, S. 76.
[4] Die Passio Pionii findet sich in Zwierlein, Otto: Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum. Bd. 1: Editiones criticae, mit armenisch-deutschem Text und englischer Übersetzung von Daniel Kölligan, (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, 116), Berlin/Boston 2014, S. 69-77.
[5] acta proconsularia cypriani 1.
[6] Vgl. Eusebius, Historia Ecclesiastica 7, 11.
[7] acta proconsularia cypriani 4.
[8] Vgl. Cyprian, Briefe 8,3; 5,1; vgl. Eusebius, Kirchengeschichte 6,41; 8,3; 10,1; 12,1; 31,2; 38,1; 40.
[9] Vgl. ebd. 7,11 und die acta proconsularia cypriani 3f.
[10] Vgl. Schwarte, Karl-Heinz: Die Christengesetze Valerians, in: Eck, Werner (Hg.): Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit. Kolloquium zu Ehren von Friedrich Vittinghoff (Kölner historische Abhandlungen, Bd. 35), Köln/Wien 1989, S. 163.
Literatur
- Bludau, Augustinus: Die ägyptischen Libelli und die Christenverfolgung des Kaisers Decius (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte, 27), Freiburg im Breisgau 1931.
- Kinzig, Wolfram: Christenverfolgung in der Antike, München 2019.
- Molthagen, Joachim: Der römische Staat und die Christen im zweiten und dritten Jahrhundert (Hypomnemata. Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben, Bd. 28), 2. Auflage, Göttingen 1975.
- Schwarte, Karl-Heinz: Die Christengesetze Valerians, in: Eck, Werner (Hg.): Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit. Kolloquium zu Ehren von Friedrich Vittinghoff (Kölner historische Abhandlungen, Bd. 35), Köln/Wien 1989.
- Selinger, Reinhard: The Mid Third Century Persecutions of Decius and Valerian, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2004.
- Zwierlein, Otto: Die Urfassungen der Martyria Polycarpi et Pionii und das Corpus Polycarpianum. Bd. 1: Editiones criticae, mit armenisch-deutschem Text und englischer Übersetzung von Daniel Kölligan, (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, 116), Berlin/Boston 2014.