Wayne Grudem über vulgäre Sprache

vulgäre Sprache, Fluchen

Hinweis: Die folgende E-Mail stammt von Wayne Grudem an John Piper und wurde mit Genehmigung veröffentlicht. Darin antwortet Grudem auf Pipers Erklärung, warum er manchmal vulgäre Sprache verwendet.


John,

Ich habe auf Justins Blog einen Link zu deinen Kommentaren über deine Wortwahl bei Passion07 gesehen. Es freut mich, dass du nun bedauerst, es gesagt zu haben, und ich schätze es sehr, dass du bereit warst, das einzugestehen.

Ich weiß nicht, ob meine Gedanken dazu hilfreich sind, aber für mich ist die Verwendung vulgärer Sprache eine Frage der „Reinheit“ in unserer Ausdrucksweise – so wie es auch im übrigen Leben um Reinheit geht. Dabei geht es mir darum, wie sich unsere Worte auf das Evangelium und auf Gott, den wir vertreten, auswirken.

Es gibt viele verschiedene Worte für dieselbe Sache, aber sie tragen unterschiedliche Konnotationen – einige davon gelten in der Gesellschaft als „unanständig“ oder „anstößig“.

Einige Beispiele:

  • Urinieren: „Wasser lassen“, „pinkeln“, „pissen“
  • Stuhlgang: „kacken“, „scheißen“
  • Geschlechtsverkehr: „Mit jemandem schlafen“, „f*****“
  • Hinterteil: „Gesäß“, „Hintern“, „Arsch“
  • Gesicht: „Angesicht“, „Gesicht“, „Visage“, „Fresse“

Über solche Dinge zu sprechen oder verschiedene Begriffe dafür zu nutzen, verstößt nicht gegen ein biblisches Gebot. (Es ist daher nicht mit dem Missbrauch des Namens des Herrn zu vergleichen, der ausdrücklich verboten ist.) Dennoch sind wir dazu aufgerufen, eine Haltung der Reinheit zu bewahren:

  • Titus 2,10 : „[…] sondern sich in allem als treu und zuverlässig erweisen, damit sie der Lehre Gottes, unseres Retters, Ehre machen.“
  • Epheser 5,4: „Kein schmutziges Gerede und keine albernen oder anstößigen Witze sollen über eure Lippen kommen. Vielmehr sollt ihr Gott danken.“
  • Epheser 4,29: „Kein schlechtes Wort soll über eure Lippen kommen. Vielmehr soll es gut, angemessen und hilfreich sein, damit es denen, die es hören, Nutzen bringt.“
  • Philipper 4,8: „Schließlich, Brüder und Schwestern: Richtet eure Gedanken auf das, was wahr, ehrenhaft, gerecht, rein, liebenswert und lobenswert ist – auf alles, was ausgezeichnet und anerkennenswert ist.“

Die Verwendung von Wörtern, die in unserer Kultur allgemein als anstößig gelten, kommt mir vor wie das sprachliche Äquivalent dazu, kein Deo zu benutzen, obwohl man Körpergeruch hat – oder ständig mit Essensflecken auf dem Hemd herumzulaufen. Man könnte argumentieren, dass es nicht moralisch falsch ist, kein Deo zu benutzen oder ungepflegte Kleidung zu tragen, aber meine Antwort darauf wäre: Es erregt unnötiges Ärgernis und vermittelt anderen den Eindruck von Unreinheit oder Nachlässigkeit. Genauso, denke ich, verhält es sich mit der Verwendung von Wörtern, die allgemein als „obszön“, „beleidigend“ oder „vulgär“ gelten. Zudem ermutigt es andere, sich ebenso auszudrücken. In diesem Sinne bringt es Schande über die Kirche und das Evangelium.

Ich erinnere mich, dass du mir vor langer Zeit erzählt hast, wie du während deiner Zeit im Gefängnis wegen „Operation Rescue“ nachts den Gesprächen der anderen Insassen gelauscht hast. Du sagtest, ihre Sprache sei von obszönen Ausdrücken rund um Körperfunktionen und Sexualität durchzogen gewesen. Das hat mich damals daran erinnert, dass die Reinheit oder Unreinheit der Sprache oft ein Hinweis auf die Reinheit oder Unreinheit des Herzens ist. (Matthäus 12,34: „Ihr Schlangenbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, wenn ihr böse seid? Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund.“)

Was deine Bemerkung betrifft, dass es in der Bibel ähnlich vulgäre Sprache gibt, bin ich mir nicht sicher. Es ist schwer zu sagen, welche Konnotationen bestimmte Worte in der damaligen Kultur hatten. Ich erinnere mich, dass ein Kommilitone im Seminar argumentierte, dass Paulus’ Verwendung des Wortes skubalon in Philipper 3,8 („Um seinetwillen habe ich alles eingebüßt und betrachte es als Unrat, damit ich Christus gewinne.“) dem Gebrauch von „scheißen“ im heutigen Deutsch entspreche. Damals fand ich das einleuchtend. Später stellte ich jedoch fest, dass skubalon ein breiteres Bedeutungsspektrum hat, und ich bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich die gleiche derbe Wirkung hatte wie „scheißen“ heute. (Das BDAG-Lexikon definiert es als „wertloses oder unerwünschtes Material, das entsorgt wird – Abfall, Müll [in verschiedenen Bedeutungen: Exkremente, Mist, Küchenabfälle]“.) Bei der Übersetzung der ESV-Bibel entschieden wir uns daher für „rubbish“ (Müll, Abfall) statt für ein stärker anstößiges Wort. Ich denke, das war eine kluge Entscheidung.

Alles in allem glaube ich, dass es richtig war, dass du dein Bedauern über deine Wortwahl zum Ausdruck gebracht hast.

Noch einmal: Ich weiß, dass deine Zeit kostbar ist, also fühl dich nicht verpflichtet, zu antworten. Ich bin einfach sehr dankbar für dich und deine Treue zum Herrn.

Wayne Grudem


Dieser Beitrag erschien zuerst bei Desiring God. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
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