„Wenn der Tiber bis zu den Stadtmauern ansteigt, wenn der Nil nicht bis zu den Feldern ansteigt, wenn der Himmel stehen bleibt, wenn die Erde sich bewegt, wenn eine Hungersnot, wenn Seuchen auftreten, sogleich heißt es: ‚Die Christen vor den Löwen!‘“
Diesen Satz formulierte Tertullian in seinem Apologeticum 40,2, einer Verteidigungsschrift des christlichen Glaubens. Oftmals wurden die Christen im Römischen Reich als Sündenböcke für verschiedenste Krisen ausgemacht und anschließend verfolgt. Und das, obwohl man meinen könnte, dass sie gut im Reich etabliert waren.
1. Christen im Römischen Reich
Wie viele Christen es im Römischen Reich gab, ist bis heute Gegenstand von Kontroversen. Auch wenn sich der neue Glaube aufgrund des Missionsbefehls immer weiter ausbreitete, blieb er lange Zeit in einer deutlichen Minderheit. Vielleicht lag die Zahl der Christen zu Beginn des 4. Jahrhunderts bei etwa 10% der Bevölkerung des Reiches. Dementsprechend wird der Anteil in den vorherigen Jahrhunderten niedriger gewesen sein.
Insgesamt kann man die Christen als staatstreu und kaiserloyal bezeichnen. Zumindest aus ihrer Sicht. Viele wichtige Theologen und Apologeten der Christenheit legitimierten den römischen Staat. Hier sind Justin, Athenagoras und Origenes zu nennen, wobei ihnen vor allem Römer 13,1-7 als Argumentationsgrundlage diente, wo es heißt, dass sich die Christen dem Staat unterordnen sollen. Daraus folgte, dass Christen in der Regel ihre Steuern zahlten und einer geregelten Arbeit nachgingen. Dass sie aber Jesus Christus als einzigen Gott verehrten, dementsprechend nicht den römischen Göttern huldigten und somit auch bei vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen, die in der Regel eng mit religiösen Handlungen verknüpft waren, nicht teilnahmen, erregte unter ihren Mitmenschen einen gewissen Argwohn. Denn aus römischer Perspektive war der Götterkult eminent wichtig für das Staatswohl: Nur die zufriedengestellten Götter schützten das Römische Reich und verliehen ihm Erfolg und Prosperität.
Unter anderem deshalb argumentierten einige heidnische Philosophen gegen das Christentum. Wilhelm Nestle hat die „Haupteinwände des antiken Denkens gegen das Christentum“ in einem Artikel wie folgt in drei Kategorien unterteilt:
„1. historische, die sich gegen die christlichen Autoritäten, die alt- und neutestamentliche Überlieferung, gegen die Personen der Evangelisten und Apostel und schließlich gegen die Person Jesu richten; 2. metaphysische, welche die Auffassung von Gott, Welt und Menschheit im christlichen Glauben bestreiten; 3. ethisch-politische, welche die praktische Lebenshaltung der Christen, ihr Verhältnis zur nichtchristlichen Menschheit und insbesondere zum Staat und seinen Erfordernissen angreifen.“1
Es entwickelten sich einige Vorurteile gegenüber den Christen und es kursierten Verschwörungstheorien. Viele Heiden dachten z.B., dass in christlichen Gottesdiensten Menschen gegessen und Sexorgien gefeiert würden. So entstand eine Geringschätzung gegenüber Christen, die sich z.B. im Alexamenos-Grafitto ausdrückte.
2. Die Verfolgungen in Rom unter Nero und Domitian2
Nero (54-68)
Im Jahr 64 brannten weite Teile Roms ab. Ob Kaiser Nero dahinter steckte, ist umstritten, auf jeden Fall kursierte das Gerücht darüber, dass er den Großbrand in Auftrag gegeben hatte. Um dem entgegenzuwirken, brauchte er Sündenböcke, wie der Historiker Tacitus schreibt:
„Um also dem Gerücht ein Ende zu machen, schob Nero andere als Schuldige vor und belegte sie mit den ausgesuchtesten Strafen: diejenigen nämlich, die bei der ungebildeten Menge, wiewohl ihrer Schandtaten wegen verhaßt, die >Biedermänner< hießen. Der Name leitet sich von Christus her, welcher unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“3
Den Christen wurde „Hass auf die Menschheit“ unterstellt und daraufhin wurden sie festgenommen. Tacitus empfand generell keine Sympathie für die Christen, ihm gingen jedoch die grausamen Hinrichtungsarten deutlich zu weit. So wurden die Christen nach ihrer Verurteilung von Hunden zerrissen, gekreuzigt und verbrannt, um als Fackeln zur Beleuchtung in Neros Gärten zu dienen. Aus diesen Gründen wird Nero in der kirchlichen Tradition als erster heidnischer Christenverfolger angesehen, unter dem auch die beiden Apostel Paulus und Petrus hingerichtet wurden.

Domitian (81-96)
Unter Domitian kam es zu Hinrichtungen von Christen, wobei nicht gesichert ist, ob man von einer gezielten Christenverfolgung sprechen kann. Flavius Clemens, ein Cousin des Kaisers, wurde hingerichtet, während seine Frau (oder Nichte) Flavia Domitilla verbannt wurde. Ihnen und vielen anderen wurde vorgeworfen, jüdische Gewohnheiten übernommen zu haben und somit das crimen laesae religionis begangen zu haben, was eine Missachtung der römischen Religion meinte. Womöglich waren damit vor allem Christen gemeint.
Darüber, wann die Verfolgungen endeten, sind sich die Quellen uneins: Während Tertullian die Beendigung unter der Regierungszeit von Domitian festmacht, sprechen sich die Historiker Cassius Dio und Eusebius für ein Ende erst nach Domitian aus. Während dieser Zeit wurde Eusebius zufolge auch der Apostel Johannes auf die Insel Patmos verbannt.
3. Lokale Verfolgungen (111-249)
Das Christentum war zwar an sich verboten, wurde jedoch in der Realität weitestgehend toleriert. Wenn es darum ging, die öffentliche Ordnung zu wahren, konnten die römischen Behörden jedoch brutal zuschlagen. An sich konnten die Statthalter Sanktionen bis zur Todesstrafe ausstellen, wobei ein Gerichtsverfahren notwendig war. Derjenige, der einen Christen zur Anzeige brachte und damit Erfolg hatte, konnte auf einen Teil des Vermögens des Verurteilten hoffen, sodass der Anreiz, einen Christen zu denunzieren, hoch sein konnte.
Trajan (111/112)
Von der Regierungszeit Trajans haben wir eine Briefkorrespondenz zwischen dem Kaiser und seinem Statthalter von Bithynien und Pontus (Nordtürkei), Plinius dem Jüngeren. Plinius berichtet dem Kaiser von einigen Christenprozessen, die sich in seiner Provinz zugetragen haben. Er erklärt sein Vorgehen folgendermaßen:
„Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Gestanden sie, so habe ich ihnen unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal dieselbe Frage gestellt; beharrten sie, so habe ich sie abführen lassen. Denn ich zweifelte nicht: Was immer sie gestehen mochten, so verdienten allein schon ihre Hartnäckigkeit und ihr unbeugsamer Starrsinn Bestrafung. Andere, die einem ähnlichen Wahnsinn verfallen waren, habe ich, weil sie das römische Bürgerrecht besaßen, zur Rückführung nach Rom vormerken lassen.“4
Daran schlossen sich laut Plinius weitere Anzeigen gegen Christen an, von denen einige ihren Glauben leugneten. Allerdings hielten viele an ihrem „Aberglauben“ fest, sodass er Trajan kontaktierte, weil sich mittlerweile eine enorme Zahl an Christen im Prozess befänden und er nicht wüsste, wie weiter zu verfahren sei.
In seinem Reskript (Antwortschreiben) lobt Trajan seinen Statthalter und gibt ihm folgende Weisungen:
„Fahnden soll man nicht nach ihnen; wenn sie aber angezeigt und überführt werden, muß man sie bestrafen, so jedoch, daß einer, der leugnet, Christ zu sein, und dies durch die Tat, d.h. durch Vollzug eines Opfers für unsere Götter, unter Beweis stellt, aufgrund seiner Reue zu begnadigen ist, wie sehr er auch für die Vergangenheit verdächtig sein mag. Anonyme Anzeigen dürfen freilich bei keiner Anklage berücksichtigt werden.“5
Dadurch wurde die rechtliche Situation der Christen etwas spezifizierter als sie vorher war, dennoch ließ Trajan einen gewissen Ermessensspielraum, wie mit den Christen umzugehen sei. Es scheint, dass bei den weiteren Christenprozessen bis zu den Verfolgungen unter Decius und Valerian in der Mitte des 3. Jahrhunderts das Trajanreskript die Grundsätze des Vorgehens definierte.
Tertullian hinterfragt in seinem Apologeticum die römische Praxis, warum Christen wie Schwerstkriminelle hingerichtet würden, aber nicht nach ihnen gefahndet werden dürfe. Dass die Folterung angewandt werde, damit Christen ihr Verbrechen (den Glauben) leugnen, anstatt es zu gestehen, sei ebenso absurd.6
Hadrian und Antoninus Pius (117-161)
Unter Hadrian wurde die Rechtsprechung in Bezug auf die Christen weiter formalisiert. Damit ging eine Verbesserung für die Christen einher. Hadrian wies nämlich an, dass die Verurteilung eines Christen wohlbegründet sein müsse. Zwar gehörte das Christsein auch zu einem Verbrechen, dennoch wurde derjenige, der einen Christen zur Anzeige brachte, selbst bestraft, wenn der (angebliche) Christ seinen Glauben leugnete. Also ging man mittlerweile selber ein Risiko ein, wenn man Christen anzeigte, was die Anzahl der Anzeigen verminderte. Somit sind uns aus der Regierungszeit von Hadrian keine und aus der von Antoninus Pius verhältnismäßig wenige Nachrichten von Christenprozessen überliefert.
Wir kennen einen Fall, der sich in den 150er Jahren in Rom zugetragen hat. Bei diesem zeigte ein wohlhabender Mann seine Ehefrau an, weil sie Christin war, nachdem sie sich aufgrund seiner Untreue zu ihr geschieden hatte. Wegen der Verzögerung des Prozesses zeigte ihr Mann Ptolemaios, ihren christlichen Lehrer, an. Vor Gericht setzten sich ein gewisser Lucius und noch ein anderer Mann für Ptolemaios ein. Alle drei sollten hingerichtet werden.
Mark Aurel (161-180)
Der „Philosophenkaiser“ Mark Aurel, selbst der stoischen Philosophie anhängig, war argwöhnisch gegenüber fremden Kulten. Seine Haltung zum Christentum wurde auch von christlichen Zeitgenossen ambivalent aufgefasst. Auf der einen Seite soll der Kaiser christlichen Soldaten gegenüber dankbar gewesen sein, die auf einem Feldzug für Regen gebetet hatten und der auch eingetreten sei. Auf der anderen Seite mehrten sich die Martyrien von Christen unter seiner Herrschaft.
Der christliche Philosoph Justin wurde in der Mitte der 160er Jahre Quintus Iunius Rusticus, dem obersten Beamten Roms, zur Anzeige gebracht. Vielleicht steckte ein Streit mit dem kynischen Philosophen Crescens hinter der Anzeige. Rusticus fragte Justin und seine sechs Begleiter über ihren Glauben aus. Die Frage, ob sie überzeugt wären, nach ihrem Tod in den Himmel zu kommen, bejahte Justin. Aufgrund der folgenden Verweigerung des Götteropfers wurden sie zur Hinrichtung abgeführt.
Wenig später wurde Polykarp der 86-jährige Bischof von Smyrna, gesucht – eigentlich ein Verstoß gegen das Trajanreskript – und verhaftet. Polykarp wurde in das Stadion geführt, in dem sich schon viele Menschen versammelt hatten. Er verweigerte es, seinem Glauben abzuschwören, sodass der Prokonsul ihm immer schlimmere Folterungen androhte. Die Volksmenge verlangte, dass der Bischof den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen werde. Der Beamte lehnte ab und ließ Polykarp an einem Pfahl anbinden, um ihn anzuzünden. Das Feuer konnte ihm laut dem Bericht des Polykarkmartyriums nichts anhaben, sodass er erdolcht werden musste. Mit seinem Märtyrertod wurden die Hinrichtungen von Christen immer mehr zu Volksattraktionen.

Märtyrer in Lyon (177)
Auch in Lyon war die treibende Kraft hinter den Christenverfolgungen die aufgebrachte Volksmenge, wobei dort die römischen Behörden selbstständig nach Christen fahndeten, um sie zu verhaften. Hierbei machten auch Gerüchte die Runde, dass die Christen Kannibalismus und Inzestorgien betreiben würden. Insgesamt wissen wir von 47 Christen, die ihrem Glauben nicht abschworen und durch diese Verfolgungen ums Leben kamen. Zuvor wurden verschiedenste sadistische Foltermethoden an ihnen vollzogen:
„Maturus und Sanctus wurden unter dem Johlen der Menge erst ausgepeitscht, dann von wilden Tieren durch die Arena geschleift und schließlich auf einem eisernen Stuhl, unter dem man ein Feuer entzündet hatte, geröstet. […] Die Sklavin Blandina wurde an einem Kreuz aufgehängt und den wilden Tieren zum Fraß dargeboten.“7
Manche Christen, die ihren Glauben bekannten, wurden wieder freigelassen. Sie waren in den Gemeinden hoch angesehen, wenngleich den Hingerichteten noch mehr Verehrung zukam, sodass sich ab dieser Zeit ein christlicher Märtyrerkult etablierte.
Commodus (180-192)
Unter Commodus verbesserte sich die Situation der Christen. Mittlerweile gab es Christen in allen sozialen Schichten, auch einige der höheren Beamten am Kaiserhof bekannten sich zu Christus. 180 kam es in Karthago (Nordafrika) zu einem Martyrium, bei dem sechs (oder zwölf) Christen enthauptet wurden. Bei einem Prozess im Jahr 190/191 südlich von Karthago wurde ein Christ sogar laufen gelassen, da er lediglich als Ruhestörer beurteilt wurde. Auch aus Apameia Kibotos in der heutigen Westtürkei haben wir Nachrichten von Martyrien. Insgesamt gibt es auf jeden Fall weniger Nachrichten über Christenprozesse als aus der Zeit davor. Trotzdem blieb die Lage der Christen wie gezeigt prekär.
Die Severer (193-235)
Unter den Kaisern der Severerdynastie konnten die Statthalter relativ flexibel in Bezug auf die Christen entscheiden. Nicht immer wurden bekennende Christen hingerichtet: Neben harten Strafen wie der Zwangsarbeit im Bergbau wissen wir auch von Fällen, in denen Christen trotz Bekenntnis entlassen wurden oder sich freikaufen konnten. Letzteres nutzten Heiden in Nordafrika aus, um Schutzgeld von Christen zu erpressen. Aus Nordafrika und Ägypten haben wir viele Nachrichten über Christenverfolgungen.
Im Jahr 202/203 kam es zu Pogromen in Ägypten, die auf Anfeindungen vonseiten der lokalen Bevölkerung zurückzuführen sind. Origenes leitete zu der Zeit in Alexandrien eine theologische Schule. Auch er erlitt Repressalien, sodass er untertauchen musste. Viele seiner Schüler wurden hingerichtet.
Aus Karthago haben wir durch Tertullian einen Martyriumsbericht von Vibia Perpetua überliefert. Sie hatte mit 22 Jahren gerade ihr Kind bekommen, als sie mit einer Gruppe von Christen verhaftet wurde und ins Gefängnis kam. Alle Angeklagten – einschließlich Perpetua – bezeugten ihren Glauben und wurden so zum Tod durch wilde Tiere verurteilt. Perpetuas Kind wurde dem Großvater übergeben, während Felicitas, einer anderen Inhaftierten, ihr Baby direkt nach der Entbindung weggenommen wurde. Im Amphitheater von Karthago wurden sie vor der grölenden Masse grausam gefoltert, gedemütigt und hingerichtet.
Von der Regierungszeit Caracallas haben wir auch weitere Zeugnisse von Christenverfolgungen. Jedoch war sein Nachfolger Marcus Aurelius Antonius (Elabagabal) (218-222) sehr an östlichen Kulten interessiert, was erklären könnte, dass wir von seiner Regierungszeit keine Zeugnisse über Verfolgungen gegenüber Christen haben. Unter seinem Nachfolger Severus Alexander (222-235) schien es den Christen auch besser zu gehen. Bekannt sind einige Christen, die enge Verbindungen zum Kaiserhaus hatten.
Maximinus Thrax (235-238)
Alexanders Nachfolger Maximinus Thrax war anscheinend besorgt über die vielen einflussreichen Christen, sodass unter seiner Herrschaft ein rauerer Wind für die Christen wehte. In der Hauptstadt selber kam es zu Verfolgungen von christlichen Bischöfen. Auch in Kleinasien wurden Christen verfolgt, weil ihnen die Schuld an einem Erdbeben angelastet wurde.
Philippus Arabs (244-249)
Eusebius zufolge war Kaiser Marcus Iulius Philippus (Arabs) selber Christ, der vor einer Ostermesse für seine Sünden Buße tat. Diese Sichtweise ist in der Forschung umstritten. Jedoch kann man festhalten, dass es unter der Regierung von Philippus Arabs ruhigere Zeiten für die Christen gab. Allerdings kam es in Alexandrien zu einem Christenpogram, wobei die Menschenmenge von einem Heidnischen Seher angestachelt worden ist. Christliche Häuser wurden geplündert, Christen brutal gefoltert und ermordet.
4. Reichsweite Verfolgungen
Ab der Mitte des 3. Jahrhunderts gab es eine entscheidende Dramatisierung der Christenverfolgungen unter Decius und Valerian: Nun wurde der reichsweite römische Staatsapparat auf die Christen angesetzt. Die wichtigsten Quellen für diese Zeit sind die beiden Bischöfe Cyprian von Karthago und Dionysos von Alexandrien.
Decius (249-251) und Valerian (253-260)
Auch wenn Kaiser Decius es vielleicht gar nicht beabsichtigt hatte, sorgte sein reichsweites Opferedikt dafür, dass neben den Juden die Christen in einen inneren Konflikt gerieten. Jeder Einwohner des Reiches sollte einmal den römischen Göttern opfern und wer dies nicht tat, wurde im Normalfall hingerichtet. Für einen aufrichtigen Christen kam das Opfer für die Götter nicht infrage. Und so wurden viele Christen zu Leidtragenden dieses Ediktes.
Valerian zielte mit zwei Edikten gezielt auf Christen. Sein zweites, schärferes Edikt beinhaltete drastische Maßnahmen gegenüber den Gläubigen:
„Bischöfe, Priester und Diakone, die an ihrem Glauben festhielten, sollten sofort hingerichtet werden. Das Eigentum hoher christlicher Mitglieder der Gesellschaft wie Senatoren und Ritter war zu konfiszieren. Bei hartnäckigem Festhalten am Christentum drohte auch ihnen die Todesstrafe. Hochgestellte Frauen wurden in die Verbannung geschickt, ihr Eigentum fiel ebenfalls an den Staat. Christliche Mitglieder des kaiserlichen Hofes (caesariani) wurden als Sklaven auf die kaiserlichen Ländereien verbracht.“8
Beide Kaiser wollten sich der Loyalität ihrer Bürger gewiss sein. Für viele Christen war auch nur die oberflächliche Verehrung der Götter zu viel, sodass sie das Götteropfer ablehnten und so zuhauf hingerichtet wurden oder mindestens drakonische Strafen wie die Zwangsarbeit in Bergwerken erleiden mussten. Sowohl Dionysos von Alexandria als auch Cyprian von Karthago wurden Opfer der Verfolgungen, wobei Letzterer sogar hingerichtet wurde. Die Begründung für sein Todesurteil ist aufschlussreich:
„Du […] hast dich zum Feinde der römischen Götter und der heiligen Gesetze gemacht; auch haben dich die frommen und geheiligten Fürsten, die Kaiser Valerianus und Gallienus und der erlauchte Cäsar Galerianus nicht zur Gemeinschaft ihrer Religionsgebräuche zurückführen können. Darum sollst du, nachdem du als der Urheber und Bannerträger der gemeinsten Verbrechen gefaßt worden bist, denen zum warnenden Beispiele werden, die du in deine Freveltat hineingezogen hast; dein Blut soll die Weihe für das Gesetz sein.“9
Ruhephase (260-303)
Obwohl Valerians Sohn Gallienus (260-268) als formaler Mitregent eine Verantwortung für die vorherigen Verfolgungen trug, sorgte er mit seinem Amtsantritt dafür, dass die Christen in Ruhe leben konnten. In einem Edikt befahl er die Beendigung der Repressalien gegenüber Christen und die Rückgabe kirchlicher Güter. Den Christen wurde die freie Ausübung ihrer Gottesdienste anerkannt, was eine Anerkennung dieser Religionsgemeinschaft bedeutete. Wenige Martyriumsberichte wie der des Soldaten Marinus aus Cäsarea (Israel) sind überliefert, die aber in der Verantwortung der lokalen Statthalter lagen. Insgesamt genossen die Christen in der Zeit viele Freiheiten, viele konnten sogar in hohe Ämter gelangen. Das änderte sich jedoch mit Diokletian.
Diokletian und die Folgejahre
Diokletian (284-305) richtete eine Viererherrschaft im Reich ein, wobei er mit Maximian als einer von beiden Augusti an der Spitze stand. Constantius Chlorus wurde zum Unterkaiser von Maximian im Westen des Reiches und Galerius zum Unterkaiser von Diokletian im Osten des Reiches. Diokletian wollte die Rückkehr zu den alten römischen Göttern bewirken, wobei er beabsichtigte, andere Kulte zu integrieren. Neben dem Manichäismus, einer neuen und fremden persischen Religion, ließ sich auch das Christentum nicht neben die anderen Kulte des Reiches einfügen.
Auch wenn sich bis zum Jahr 303 eher vereinzelt Martyrien ereigneten, änderte sich dies jedoch durch die Beeinflussung Diokletians durch seinen Unterkaiser Galerius Er ließ sich überzeugen, systematisch gegen die Christen vorzugehen, wobei er allerdings zu Beginn so wenige Hinrichtungen wie möglich haben wollte.
In einem ersten kaiserlichen Edikt (303) verfügte Diokletian, dass Kirchengebäude zu zerstören und christliche Schriften zu vernichten seien. Wahrscheinlich beinhaltete dies auch ein Versammlungsverbot, Christen in höheren Ämtern sollten diese verlieren und gefoltert werden. Freigelassene Sklaven, die am Kaiserhof dienten, sollten wieder zu Sklaven werden. Wir haben zahlreiche Beispiele von Martyrien aufgrund des ersten Ediktes überliefert. So erzählt z.B. die Passion des Bischofs Felix über seinen Enthauptungstod, nachdem er sich verweigert hatte, seine theologischen Schriften herauszugeben.
Ein zweites antichristliches Edikt, nun gegen Kleriker gerichtet, erfolgte nach einer Rebellion in Seleukeia und Antiochien (Syrien). Vielleicht hatte Diokletian Angst, dass sich auch noch die Christen in die Rebellion einmischen würden. Eusebius beschreibt die skurrilen Folgen des Ediktes so:
„Das Schauspiel dessen, was darauf folgte, übersteigt jede Beschreibung. Zahllose Scharen wurden an jeglichem Orte eingekerkert. Die Gefängnisse, ehedem bestimmt für Mörder und Grabschänder, waren nun überall angefüllt mit Bischöfen, Priestern, Diakonen, Lektoren und Exorzisten, so daß dort kein Platz mehr übrig blieb für jene, die wegen Verbrechen verurteilt waren.“10
Ein drittes Edikt, welches die Freilassung der Kleriker nach erfolgtem Götteropfer veranlasste – wie bei den Verfolgungen unter Decius und Valerian – sollte „unnötige“ Martyrien vermeiden. Viele Christen nahmen jedoch das Leid in Kauf und starben für ihren Gott. In Palästina/Israel ging man aus römischer Sicht sogar ziemlich pragmatisch vor, indem man Kleriker gewaltsam zwang, zu opfern, um sie anschließend freizulassen.
An dieser für uns heute absurd erscheinenden Vorgehensweise wird deutlich, welche gegensätzlichen Weltauffassungen aufeinander prallten. Aus römischer Perspektive war es komplett unverständlich, warum ein Christ nicht auch den römischen Göttern opfern konnte, was ja eminent wichtig für die Stabilität des Reiches war. Es war meistens nicht die Absicht der römischen Behörden, scharenweise Christen umzubringen. Durch das Unverständnis gegenüber dem andersartigen Glauben und durch seine Herabwürdigung kam es aber leider häufig dazu.
In einem vierten Edikt (304) befahl Diokletian ein allgemeines Opfer für den Kaiser. Dieses wurde im Westen nach der Abdankung Diokletians 305 allerdings deutlich weniger harsch umgesetzt als im Osten mit Galerius und Maximinus Daia als Herrschern. Es sind uns zahlreiche Martyrien mit den sadistischsten Folterungsmethoden aus dieser Zeit des oströmischen Reiches überliefert.
5. Das Ende der Verfolgungen: Toleranzedikt des Galerius und Konstantinische Wende
Das Christentum ließ sich durch die Verfolgungen nicht auslöschen. Der todkranke Galerius besann sich eines Besseren und veröffentlichte am 30. April 311 ein Edikt, in dem er verfügte, die Christen zu tolerieren. Den Christen war damit gestattet, ihren Glauben frei auszuleben, um im Gegenzug für das Wohl des Kaisers und des Reiches zu beten. Im Herrschaftsgebiet des Maximinus Daia (Ägypten, Syrien, Kleinasien) wurde das Edikt jedoch die meiste Zeit noch nicht durchgesetzt.
Aber auch im Westen des Reiches kam es noch zu Verfolgungen. Erst nach dem Sieg Konstantins über seinen Kontrahenten Maxentius am 28. Oktober 312 gelang ein Durchbruch für die Christen im Westen. Im Februar 313 trafen sich schließlich Konstantin, der Kaiser des Westens, und Licinius, der Kaiser des Ostens in Mailand. Weil Konstantin ihn militärisch gegen seinen Kontrahenten Miximinus Daia unterstützte, gewährte Licinius den Christen auch im Osten des Reiches Toleranz.
Mit der Mailänder Vereinbarung wurde den Christen im gesamten Römischen Reich Religionsfreiheit zuteil. Den Christen wurde ihr zuvor konfisziertes Eigentum zurückgegeben und Kirchen wurden wieder aufgebaut. Nach erneuten Spannungen zwischen Ost- und Westrom kam es im Osten des Reiches nochmals zu Repressionen gegenüber Christen. Endgültig endeten sie schließlich mit dem Sieg Konstantins über Licinius in der Schlacht von Chrysopolis am 18. September 324.
6. Schlussbemerkungen
Vieles könnte man nun noch zu den Christenverfolgungen der Antike sagen: Wie sich der Märtyrerkult entwickelte oder wie mit den Christen in den Gemeinden umgegangen wurde, die ihren Glauben verleugnet hatten. Dies soll an dieser Stelle nicht geschehen.
Hervorzuheben ist, dass sich die ausbreitende Kirche, die durch die Macht christlicher Kaiser eng mit der Politik verzahnt war, nicht immer des Gebotes der Nächstenliebe Jesu bewusst war. So erlitten die Anhänger der traditionellen Kulte Repressionen, aber oftmals auch Christen, die einem häretischen Glauben anhingen.
Bezeichnend ist aber auch, dass sich das Christentum trotz – oder gar wegen? – der vielen Martyrien seiner Anhänger ausbreitete. Nicht wenige Menschen beeindruckte die Standhaftigkeit, mit der viele Christen an ihrem Gott festhielten. Und so konnte Tertullian am Ende des 2. Jahrhunderts in seinem Apologeticum die berühmten Zeilen formulieren:
„Und doch, die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nützt nichts; sie ist eher ein Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft. Wir werden jedesmal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen.“11
Fußnoten:
- Vgl. Nestle, Wilhelm: Die Haupteinwände des antiken Denkens gegen das Christentum, in: Martin, Jochen; Quint, Barbara (Hg.): Christentum und antike Gesellschaft (Wege der Forschung, Bd. 649). Darmstadt 1990, S. 25. ↩︎
- Die Gliederung dieses Artikels und die weitestgehende Benennung der Überschriften erfolgt auf Grundlage des Buches von Wolfram Kinzig, der eine gute und sinnvoll strukturierte Einführung zum Thema verfasst hat. Vgl. Kinzig, Wolfram: Christenverfolgung in der Antike. München 2019. ↩︎
- Tacitus, Annalen 15,44,2f. Zitiert nach Ritter, Adolf M.: Alte Kirche. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. 1. Neukirchen-Vluyn 1994, S. 6. Bei der Zitation aus diesem Werk habe ich wegen des Leseflusses bewusst die Anmerkungen im Text weggelassen. ↩︎
- Plinius der Jüngere, Briefe 10,96. Zitiert nach Ritter, S. 14. ↩︎
- Ebd. 10,97. Zitiert nach Ritter, S. 15. ↩︎
- Tertullian, Apologeticum 2. Zitiert aus: Tertullian, Apologetikum. Übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd. 24), Kempten & München 1915, S.41-46. Aufgerufen unter: https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-3/versions/apologetikum-bkv/divisions/3 ↩︎
- Vgl. Kinzig, S. 51. ↩︎
- Ebd., S.76. ↩︎
- acta proconsularia cypriani 4. Zitiert nach: Autor unbekannt: Acta proconsularia, übers. von Gerhard Rauschen (Bibliothek der Kirchenväter 1, Bd. 14), München 1913, S.368f. Aufgerufen unter: https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-53/versions/die-prokonsularischen-akten-des-hl-cyprian-bkv/divisions/5 ↩︎
- Eusebius, Kirchengeschichte 8,6. Zitiert nach Eusebius, Kirchengeschichte. Aus dem Griechischen übersetzt von Phil. Häuser. (Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Bd. 1), München 1932, S.381. Aufgerufen unter: https://bkv.unifr.ch/de/works/cpg-3495/versions/kirchengeschichte-bkv-2/divisions/233 ↩︎
- Tertullian, Apologeticum 50. Zitiert aus: Tertullian, Apologetikum. Aus dem Lateinischen übersetzt von Dr. K. A. Heinrich Kellner (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd. 24), Kempten & München 1915, S.182. Aufgerufen unter: https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-3/versions/apologetikum-bkv/divisions/51 ↩︎
Literatur:
- Flach, Dieter: Die römischen Christenverfolgungen. Gründe und Hintergründe, in: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte 48 (1999), S. 442-264.
- Grant, Robert M.: Christen als Bürger im Römischen Reich. Göttingen 1981.
- Kinzig, Wolfram: Christenverfolgung in der Antike. München 2019.
- Nestle, Wilhelm: Die Haupteinwände des antiken Denkens gegen das Christentum, in: Martin, Jochen; Quint, Barbara (Hg.): Christentum und antike Gesellschaft (Wege der Forschung, Bd. 649). Darmstadt 1990.
- Ritter, Adolf M.: Alte Kirche. Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. 1. Neukirchen-Vluyn 1994.