Theologie und Kunst gehen in der Kirchengeschichte Hand in Hand. Das gilt auch für die Trinitätslehre. Ich möchte in diesem Artikel einen groben Überblick darüber geben, wie die orthodoxe Kirche die Trinitätslehre in ihren Ikonen (=Kult- und Heiligenbilder) dargestellt hat.
Mit dem Konzil von Nicäa II (787 n.Chr.) wurde die Verehrung von Ikonen als rechtgläubig bestätigt. Damit wurde die Ikonenverehrung, die in der Praxis allerdings schon lange gang und gäbe war, auch kirchenrechtlich legitimiert. Die ersten orthodoxen Dreieinigkeitsikonen stammen bereits aus dem 5. Jahrhundert. Sie können grob in zwei Gruppen unterteilt werden: Zum einen gibt es solche Ikonen, die auf Gen 18 (die Geschichte der drei fremden Gäste bei Abraham) basieren. Zum anderen gibt es sog. „Vaterschafts“-Ikonen, die die Trinität als Kombination aus einem alten Mann, einem Christusknaben und einer Taube darstellen.
Trinitäts-Ikonen basierend auf Gen 18
Die meisten östlich-orthodoxen Trinitäts-Ikonen basieren auf einer typologischen Auslegung von Gen 18. Dort wird in den ersten fünf Versen folgende Begebenheit beschrieben:
1 Und der HERR erschien ihm bei den Terebinthen von Mamre, als er bei der Hitze des Tages am Eingang des Zeltes saß. 2 Und er erhob seine Augen und sah: Und siehe, drei Männer standen vor ihm; sobald er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes entgegen und verneigte sich zur Erde 3 und sagte: Herr, wenn ich denn Gunst gefunden habe in deinen Augen, so geh doch nicht an deinem Knecht vorüber! 4 Man hole doch ein wenig Wasser, dann wascht eure Füße, und ruht euch aus unter dem Baum! 5 Ich will indessen einen Bissen Brot holen, dass ihr euer Herz stärkt; danach mögt ihr weitergehen; wozu wäret ihr sonst bei eurem Knecht vorbeigekommen? Und sie sprachen: Tu so, wie du geredet hast!
Gen 18,1-5
Diese drei fremden Gäste, von denen einer auch als „HERR“ (JHWH) bezeichnet wird, wurden in der Ostkirche sehr oft als Trinität interpretiert und entsprechend in verschiedenen Mosaiken dargestellt:
Mosaik in Santa Maria Maggiore
Das älteste Mosaik, das die Begebenheit aus Gen 18 darstellt, befindet sich in der Santa Maria Maggiore in Rom und stammt aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Dort werden die drei Gäste (rechts am Tisch sitzend) zumindest teilweise als typologisches Vorbild der Trinität verstanden, was vor allem an den Heiligenscheinen deutlich wird.
Die Mosaike in der Santa Maria müssen im Kontext des christologischen Streites mit Nestorius verstanden werden. Dieser hatte die Gottheit Jesu relativiert, sodass der Papst Coelestin sich veranlasst sah, mit den Mosaiken auf die Thesen von Nestorius einzugehen.

Mosaik in San Vitale
Ähnliches gilt für die Darstellung der drei Gäste in den Mosaiken von San Vitale in Ravenna. Diese Trinitäts-Ikone wird auf 546-547 datiert. Interessant ist hier der Segensgestus mit den zwei Fingern, den die Person ganz rechts ausübt. Ob das der Gestus ist, der auch auf vielen Christusikonen zu sehen ist, ist mir nicht ganz ersichtlich. Klar ist auf jeden Fall, das auch auf diesem Mosaik die 3 Gäste aus Gen 18 zumindest in Ansätzen als Trinität interpretiert werden. Bemerkenswert ist, dass den drei Gästen offensichtlich kreuzförmige Brote vorgesetzt wurden.

Ab dem 11. Jahrhundert gibt es zahlreiche solcher Darstellungen mit der Aufschrift Ἡ ἉΓΊΑ ΤΡΙΑΣ („Die heilige Dreieinigkeit“). Die drei Gäste Abrahams wurden also mit der Zeit immer offensiver als die drei Personen des einen Gottes verstanden.
Andrej Rubljov
Die berühmteste dieser „Gen 18 Trinitäts-Ikonen“ ist die Darstellung des Künstlers Andrej Rubljov. Seine um 1411 n.Chr. gemalte Ikone der Trinität wurde 1551 auf der Moskauer Hundertkapitelsynode als das offizielle Muster für rechtgläubige Trinitäts-Ikonen festgelegt. Bei seiner Darstellung fehlen allerdings Abraham und Sarah vollständig, sodass unklar ist, ob es sich (nur) um ein Bild des alttestamtlichen Typus handelt oder ob die Trinität selbst abgebildet wird.
Rubljov betont auf seinem Bild vor allem die Einheit der drei Personen, da man nur schwerausmachen kann, wer der Vater, wer der Sohn und wer der Heilige Geist sein soll. 2 Interpretationsmöglichkeiten haben sich durchgesetzt. Erstens: Der Vater ist in der Mitte, der Sohn links, der Heilige Geist rechts. Zweitens: Der Sohn ist in der Mitte, der Vater links, der Heilige Geist rechts.

„Vaterschafts“-Ikonen
Als „Vaterschaft“ bezeichnet man eine Variante der Trinitätsdarstellung, bei der die Trinität als alter Mann (Vater), Christusknabe (Sohn) und Taube (Heiliger Geist) dargestellt wird.
Die Darstellung des Vaters als alter Mann basiert auf Dan 7,9f:
9 Einer, der alt war an Tagen, setzte sich. Sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, dessen Räder ein loderndes Feuer.
Der Heilige Geist wird in Anlehnung an die Taufe Jesu Christi als Taube dargestellt:
10 Und sobald er aus dem Wasser heraufstieg, sah er die Himmel sich teilen und den Geist wie eine Taube auf ihn herabkommen.
Mk 1,10
Obwohl diese Art der Gott-Vater-Darstellung auf der Moskauer Synode von 1666 verboten wurden, erfreute sie sich vor allem in Russland im 17. Jahrhundert großer Popularität. Bis heute bleibt allerdings die Ikone von Rubljov die einzige vollkommen zulässige Trinitäts-Ikone in den orthodoxen Kirchen.

Fazit
Die Trinitäts-Ikonen sind spannende Quellen dafür, wie die Ostkirche die Trinitätslehre künstlerisch dargestellt hat. Es gibt aus meiner Sicht aber auch einige Kritikpunkte an der (trinitarischen) Ikonenverehrung, die ich hier kurz nennen möchte:
- Die Komplexität der Trinität wird reduziert. Das Mysterium, dass Gott eins im Wesen und drei in der Person ist, wird durch die Trinitätsikonen aufgehoben. Es wird meist seine Dreiheit auf Kosten der Einheit betont.
- Es besteht die Gefahr der Götzenanbetung. Ikonen können zu Götzen werden, wenn es zu einer Vermischung von Verehrung und Anbetung kommt. In der Kirchengeschichte wurden Ikonen oft nicht nur als Erinnerungsbilder benutzt, sondern ihnen wurden auch übernatürliche Kräfte zugeschrieben.
- Es stellt sich die Frage, ob man Gott überhaupt bildlich darstellen kann. „Niemand hat Gott je gesehen“ (Joh 1,18), sodass Ikonen sein transzendentes Wesen nicht angemessen näherbringen können.
- Als Protestant muss ich betonen, dass eine unmittelbare Beziehung zu Gott ohne Ikonen möglich ist. Durch Jesus Christus, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt wird, können wir zu Gott gelangen.
Quellen:
- Felmy, Karl Christian: Trinität, Trinitätslehre, in: Religion in Geschichte und Gegenwart4 (Bd.8), 621.
- Felmy, Karl Christian: Ikone/Ikonenmalerei, in: Religion in Geschichte und Gegenwart4 (Bd. 4), 36-41.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Maria_Maggiore#Fr%C3%BChchristlicher_Mosaikschmuck
- https://de.wikipedia.org/wiki/San_Vitale#Die_Mosaiken_im_Presbyterium
- https://de.wikipedia.org/wiki/Dreifaltigkeitsikone#Interpretation