Dieser Artikel ist der Fünte Teil einer Artikelreihe über die Messianität Jesu. Erschienen ist bisher:
In Jesu Predigt in Nazareth finden wir ein besonderes Zeugnis darüber, wie Jesus sich selbst verstand. Auch auf die Anfrage des Täufers, reagiert Jesus mit eindeutigen Messias-Zitaten. Jesus zitierte Jes 26,19 und 35,5-6, das auch ein Echo an Jes 61 ist.
Es ist also nicht so, dass Jesus sein Selbstverständnis als Messias versteckte oder im Geheimen hielt, oder sich seiner eigenen Berufung nicht im Klaren war, oder an dieser zweifelte. Er ging damit sicherlich auch nicht hausieren und ließ sich auch nicht auf die Verstrickungsstrategien der israelischen Elite ein. Ja, sein oftmaliges Bedeckthalten wurde sogar ebenfalls messianisch gedeutet. Das Jesus der Menge gebot, dass sie nicht seine Wunder und Taten „offenbar“ machen sollten, erklärt Matthäus mit der Ankündigung vom Gottesknecht aus Jes 42ff (vgl. Mt 12,15-21).
Bei Jesu Ankunft in Jerusalem ist der Messias-Anspruch Jesu bestenfalls ein offenes Geheimnis. Man versah Jesus mit dem Titel „Der Sohn Davids“ (Mt 21,9) und sang Hosanna-Lieder, mit einer klaren Anspielung auf Ps 118, einen messianischen Text. Jesus ließ die Leute auch auf die Kritik der Obersten hin weiterhin gewähren! Seinen Messias-Anspruch machte er derweil dadurch geltend, dass er auf einem Esel geritten nach Jerusalem einzog (Joh 12,15. Sach 9,9).
„Ich bin der Messias“ – diesen Ausdruck finden wir zwar nicht in den berühmten „Ich bin“-Worten Jesu, jedoch ist es eindeutig, dass Jesus niemals bestritt, dass er der Messias sei. Ein besonderes Beispiel ist die Debatte Jesu mit den Pharisäern darüber, in welcher Beziehung Christus zu David steht (Mt 22,41-46). Jesu Verweis auf Ps 110,1 ist völlig überraschend, ist es doch im Judentum bis dahin nicht üblich gewesen, diesen Text messianisch zu deuten.[1] Die Deutung Jesu wird von seinen Nachfolgern jedoch wiederholt aufgegriffen. Petrus betonte in seiner Pfingstpredigt, dass Jesus von Gott zum Herrn eingesetzt worden war. Paulus greift den Text im Rahmen der Besprechung von der Bedeutung der Auferstehung Jesu auf (1Kor 15,25-27) und der Hebräerbrief findet in diesem Text eine weitere Perle für sein Kettenzitat. Die Bedeutung von Ps 110 für den Hebräerbrief haben wir bereits kurz beleuchtet.
Ähnlich selbstbewusst formulierte Jesus sein Selbstverständnis als Messias, als er im Tempel davon sprach, den Tempel in drei Tagen erneut aufzubauen. Jesu symbolträchtige Aussage ist an dieser Stelle zunächst missverständlich selbst für seine nächsten Jünger. Von der Perspektive der Auferstehung jedoch verstehen die Jünger, dass „er vom Tempel seines Leibes sprach“ (Joh 2,21-22). Jesu Botschaft wird dann unmissverständlich klar: Reißt doch diesen Tempel ab, ihr braucht ihn nicht mehr, denn ihr habt mich, ich bin der bessere Tempel. Ein Thema, dass gerade in der Offenbarung an eschatologische Bedeutung bekommt (vgl. Offb 21,22). Beides steht dabei gleichzeitig im Zusammenhang der Prophetie Haggais, dass ausgerechnet dieser postexilische Tempel eine bessere Herrlichkeit erleben wird, als der salomonische (Hag 2,9).
Wir finden auch weitere explizit formulierte Messiasansprüche Jesu. Wir sahen ein Beispiel in seiner Predigt in Nazareth (Luk 4,20), im Gespräch mit den Jüngern (Mt 16,13; Mk 8,27-30; Lk 9,18-21), aber auch in Jesu Verhör vor dem Hohen Rat (Mt 26,63-64) offenbart sich Jesus eindeutig als der „Sohn des Menschen“, der bald „sitzen wird zur Rechten der Macht“. Nach der Auferstehung wurden die Selbstansprüche deutlicher und mächtiger (Mt 28,18, Mk 16,16.19).
Neben solchen explizit formulierten Messiasansprüchen dürfen wir jedoch nicht übersehen, dass dieses Selbstverständnis Jesu bei ihm in „Fleisch und Blut“ überging. Es gibt kein Wunder und keine Heilung Jesu, die nicht in diesem Selbstverständnis durchgeführt wurden, dass der Messias da ist, um die Leiden und Schmerzen seines Volkes zu tragen (Jes 53,4). Jesu regelmäßige Verwendung von Gleichnissen ist für Matthäus eine prophetische Notwendigkeit (Mt 13,35). Oder denken wir an Jesu autoritative Worte in der Bergpredigt: Hier wird das Regelwerk des Reiches Gottes vorgestellt, in dem Jesus nun selbstverständlich die Rolle des Gesetzgebers einnimmt. Denken wir an die symbolträchtigen „Ich bin Worte“ des Johannesevangeliums (Joh 6,35; 8,12; 10,7.9; 10,11.14; 11,25; 14,6; 15,1): Ob sich Jesus nun als die Tür oder der Weg zu Gott bezeichnet, in beiden Fällen unterstrich er seine Mittler-Rolle. Und gerade dafür ist ja ein „Messias“, „ein Gesalbter“ da, um ein Mittler zu sein (vgl. Gal 3,20; 1Tim 2,5).
[1] Richard N. Longenecker weist darauf hin, dass jüdische Rabbis erst seit dem Jahr 260 n. Chr. eine messianische Bedeutung von Ps 110,1 diskutierten. Vgl. Greg K. Beale. The Right Doctrine from the Wrong Texts? Essays on the Use of the Old Testament in the New. Grand Rapids: Baker Academic, 1994, 377.
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