„Wenn jemand mein Jünger sein will, dann muss er sich selbst verleugnen, er muss sein Kreuz aufnehmen und mir folgen!“ (Mk 8,34) Mit solchen (und anderen) Sprüchen hat Jesus Christus – seltsamerweise – damals Werbung gemacht. Was meint er genau mit dem „Kreuz“? Und wie hängen die Nachfolge und das Kreuz zusammen?
Dietrich Bonhoeffer geht auf diese Fragen in seinem Buch „Nachfolge“ ein. Im ersten Kapitel („Die teure Gnade“) hat er gezeigt, dass Gnade und Nachfolge unauflöslich zusammengehören. Das zweite Kapitel („Der Ruf in die Nachfolge“) betont die Wichtigkeit des Gehorsams für das Zustandekommen echter Nachfolge. Im dritten Kapitel („Der einfältige Gehorsam“) erklärt Bonhoeffer genauer, was Gehorsam ist und im vierten Kapitel („Die Nachfolge und das Kreuz“) behandelt er den Zusammenhang zwischen Nachfolge und Leiden. Dieser Artikel ist eine Kurzzusammenfassung dieses vierten Kapitels aus dem Buch „Nachfolge“.
Jesu Kreuz als Voraussetzung
Bonhoeffer gründet das vierte Kapitel auf zwei zentralen Bibeltexten aus dem Neuen Testament: Mk 8,31-38 und Mt 26,39.42. Der erste beinhaltet u.a. die Aufforderung zum Kreuz-Tragen, im zweiten geht es um Jesu Bitte an Gott, dass der Kelch an ihm vorübergehen möge.
Bonhoeffer betont, dass Jesus Christus nicht einfach nur ein Leidender war, sondern ein Verworfener. Man kann in Würde leiden, man kann im Leiden noch gefeiert und bewundert werden, aber das Verworfenwerden nimmt dem Leiden jede Würde und Ehre. Jesu Kreuzestod war genau das: ein Verworfener leidet, ein Ausgestoßener stirbt. Diese Verworfenheit kam auch von Gott. Jesus Christus musste den Kelch trinken, musste die Gottesferne stellvertretend ertragen, damit der Kelch an uns vorübergehen kann. Jesus startet seine Rede an die Jünger in Mk 8,31-38 mit einer Leidensankündigung. Seine Kreuzesleiden sind die Voraussetzung für alles, was er danach noch zu sagen hat.
Unser Kreuz als Resultat
Und was sagt er danach? Er sagt zu seinen Jüngern, dass sie ihm nachfolgen sollen, indem sie sich selbst verleugnen und ihr Kreuz auf sich nehmen. Bonhoeffer betont, dass der Ruf in die Nachfolge in Verbindung mit dem Leiden von Jesus Christus steht. Jesus Christus war verworfen – die Jünger sind verworfen. Jesus Christus hat gelitten – die Jünger leiden. Jesus Christus hat sein Kreuz getragen – die Jünger tragen ihr Kreuz. „Die Nachfolge als Bindung an die Person Jesu Christi stellt den Nachfolgenden unter das Gesetz Christi, d. h. unter das Kreuz.“ Weil Gott ein Gott des Tragens ist, besteht auch das ganze Christsein aus Tragen.
Das Kreuz des Nachfolgers ist also das Leiden, das ihm aus der Bindung an Jesus Christus erwächst. Der Nachfolger soll – so Bonhoeffer – „das ihm verordnete Maß von Leiden und Verworfenheit tragen.“ Dieses Kreuz ist individuell und man wird es einfach empfangen, wenn man sich an Christus bindet. Wer Christus nachfolgt, erkennt früher oder später automatisch sein Kreuz, das ihm Schmach und Leiden verschaffen wird.
Bonhoeffer nennt zudem zwei Leiden, die jeder Christ erlebt: Erstens das Sterben des alten Menschen. Wenn jemand an Christus gebunden wird, wird er aus den Bindungen der Welt herausgerufen und stirbt dem alten Leben. Dieser Tod ist deswegen so leidvoll, weil damit der Kampf gegen Sünde und den Teufel einhergeht. Zweitens das Tragen der Sünde des Nächsten. Sündenvergebung ist ein gebotenes Christusleiden des Jüngers.
Das Tragen des Kreuzes ist die einzige Möglichkeit, um das Leiden zu überwinden. Das war bei Christus so – das ist bei uns so. Das Leiden wird so zu „lauter Gnade und Freude“ und verliert das Befremdliche. In der Bindung an Jesus Christus wird das Leiden zwar unausweichlich, aber auch kostbar.
Fazit
Bonhoeffer macht in dem Kapitel „Die Nachfolge und das Kreuz“ deutlich, dass derjenige, der nachfolgt, auch leiden muss. So wie Christus verworfen war, ist auch der Christ verworfen. Billige Gnade ist billig, weil sie keine Nachfolge und damit auch kein Leiden kennt. Teure Gnade stattdessen ist gehorsam, folgt dem Ruf Christi, bindet sich an ihn und findet in der Nachfolge die Überwindung der Leiden vor.
Bonhoeffer will in seinem Buch „Nachfolge“ zeigen, dass radikale Nachfolge – und damit radikales Leiden – zum christlichen Glauben dazugehören. Das Buch lohnt sich für jeden, der nicht nur einen theologischen Klassiker des 20. Jahrhunderts lesen will, sondern auch ein Buch, dass den eigenen Glauben herausfordert.